Als
ich mich im letzten Mai dieses herrlichen Jahrtausends zu einem
Symposium mit dem fortschrittlichen Thema "Neue Medien"
anmeldete, tat ich das als ebensolcher Mann mit einem e-mail.
Die
elektronische Post ist bekanntlich etwa 6.000 Mal pro Sekunde
schneller als ein durchschnittlicher Windhund in der Stunde, daher
blieb ich gleich an meinem Computer sitzen, erwartungsvoll der Antwort
harrend.
"Ruf
doch einfach an", rief meine Freundin mir nach einigen Tagen aus
der Küche zu - wir sind nämlich ein traditionsreicher Haushalt.
"Nein",
antwortete ich, "e-mails sind billiger und vor allem rasend
schnell. Ich versuche es ein zweites Mehl, ich meine natürlich
Mal."
Die
Frühlingstage vergingen wie im Flug, der nasse Sommer 1999 zog ins
Land. Ich bemerkte ihn nicht, denn ich startete in regelmäßigen Abständen
weitere Versuche einer Anmeldung. Abwechselnd ver-wendete ich die
verschiedenen e-mail-Adressen, denn der Adressat war eine besonders
fortschrittliche Organisation und hatte daher bereits mehrere
e-mail-Adressen.
Im
Oktober, der Termin des Symposiums rückte näher und näher, meine
Freundin war ausgezogen und hatte mich stark untergewichtig zurückgelassen,
startete ich entnervt meinen letzten Versuch. Diesmal mit einem
antiquierten Gerät, einem sogenannten Fax (Ältere werden sich noch
daran erinnern können), denn ich wollte etwas Abwechslung in mein
mailiges (mehliges) Dasein bringen.
Und
endlich geschah das Wunder – eine Antwort traf ein!
"Lieber
Interessent,
leider
sind in diesem Jahr bereits alle Plätze vergeben.
Wir bieten Ihnen aber gerne unser schnelles Anmeldeservice für das
Jahr 2000 an.
Melden
Sie sich gleich an, dann haben Sie eine Platzgarantie im nächsten
Jahrtausend. Sie erreichen uns am schnellsten per e-mail!
Mit
freundlichen Grüßen
Ihr Symposium Neue Medien"
Natürlich,
werden Sie einwerfen, handelt es sich hiebei um einen Einzelfall, der
keinen Anspruch auf Objektivität erhebt. Auch sind einige wenige
Dinge übertrieben dargestellt - meine Freundin ist zum Beispiel nicht
ausgezogen, und ich koche gerade Wiener Schnitzel.
Jedenfalls
begann ich, den Einzelfall "Anmeldung zum Symposium" auf
seine allgemeine Gültigkeit hin zu überprüfen, wobei ich als
Untersuchungsgegenstand abwechselnd ein privates und ein öffentliches
Unternehmen verwendete.
Ich
kann nunmehr meine Ergebnisse einer kleinen Öffentlichkeit präsentieren:
Ein
privates EDV-Unternehmen, das auch Software verkauft, war so virtuell,
dass es auf mails überhaupt nicht reagierte. Bei einem Anruf -
immerhin, das Telefon funktionierte tadellos - wurde mir erklärt,
dass der e-mail-Server des EDV-Unternehmens leider nicht
funktionierte.
Der
Abteilungsleiter eines öffentlichen Unternehmens entschuldigte sich
vielmals dafür, dass gerade renoviert werde und meine mails auf
unerfindliche Weise dabei verloren gegangen seien.
Eine
Bank, die mit einer Telefongesellschaft verwandtschaftliche
Beziehungen pflegt, war so diskret, dass sie meine Anfrage bezüglich
Anlage meines - wahrscheinlich zu bescheidenen - Vermögens gar nicht
beantwortete. Vielleicht eine dezente Aufforderung, bei kleinen Beträgen
lieber kein Risiko einzugehen.
Ein
privater Festnetzanbieter antwortete immerhin nach einer Woche,
nachdem ich per Fax einen Beschwerdebrief abgesandt hatte.
Die
sogenannten "Online-Supports" diverser EDV-Unternehmen (ihre
Namen sind Schall und Rauch, denn es gibt sie überall) geben zwar
immer stolz ihre e-mail-Adressen an, aber ich habe mit einer Ausnahme
noch nie eine Antwort auf ein e-mail bekommen.
Nach
all diesem subjektiven Frust (gibt es einen objektiven?) tröstete
mich eine Umfrage aus der Schweiz. Dort testete man die
durchschnittliche Dauer von Antworten auf e-mails und kam zu folgendem
Ergebnis:
Ein
großer Einzelhändler (privat) unseres tüchtigen Nachbarn benötigte
durchschnittlich 17 Tage für eine Antwort, das größte
Telekommunikationsunternehmen immer noch 6 Tage.
Mc Donalds (privat) und die Schweizer Bahnen (öffentlich)
schafften es in 1 Tag. Der Unterschied zwischen Privatwirtschaft und
Staatseigentum ist also, wenn man das Service betrachtet, marginal.
Am
Ende meiner Untersuchung keimt in mir ein schrecklicher Verdacht: Ist
der Fortschritt vielleicht gar kein Fortschritt, sondern nur ein
Spielzeug für erwachsene Männer, in denen bekanntlich ein Kind ist
und das will spielen? Dann wäre es viel einfacher, der Postbote käme
auf einem edlen Rappen zu mir! Erstens wäre diese Art der Beförderung
umweltfreundlicher und zweitens wären die Mehle, ich meine, die
Briefe schneller bei mir. |