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Der Miau
Auszug aus einer beinahe wissenschaftlichen Untersuchung

Wer im Rahmen der erlaubten Geschwindigkeitsbereiche Auto fährt, stößt, oft in des Wortes wahrer Bedeutung, immer wieder auf den Mann im Auto, in der Verhaltenswissenschaft kurz Miau genannt. Ein Blick in den Rückspiegel reicht, da ist er schon, etwa 50 Zentimeter von der Stoßstange entfernt, jederzeit bereit, mit einem Sprung auf das nächste Autodach zu gelangen. Oder er kommt einem rasant von vorne entgegen, natürlich auf der falschen Fahrspur hin und her schlingernd, weil er sich für irgendeinen Schuhmacher hält.

Der Miau hat es stets eilig, weil er gerne beim Rot der nächsten Ampel auf die Anderen wartet. Dort schaltet er seine vier Mal 100 Watt Stereoanlage mit CD-Wechsler ein, schließlich sollen auch die Mitmenschen etwas von seiner Katzenmusik haben.

Der Miau ist außerdem ein geselliges Wesen, deshalb freut er sich, wenn er bei Gelb in die Kreuzung einfahren kann, um den Querverkehr zu blockieren. Die Insassen der anderen Autos nehmen laut hupend Kontakt zu ihm auf, worauf er ihnen den Vogel zeigt oder den Pfuifinger. Das belebt die Nierentätigkeit aller Beteiligten und senkt die allgemeine Durchschnittsgeschwindigkeit.

Der Miau aber beschleunigt - es ist endlich zum zweiten Mal Rot geworden, vor ihm ist eine kleine Lücke - mit quietschenden Reifen, die seine Potenz hörbar machen und schließt, quietschend bremsend, zur Stoßstange des Nächsten auf. Diese Art der Fortbewegung, die an das Zureiten wilder Pferde in Texas erinnert, wiederholt er, solange es die Magen der tapferen Mitfahrer erlauben.

Ab und an auftauchende Zebrastreifen interpretiert der Miau als Ziellinie und Fußgänger als überwindbare Hindernisse, die leider, so sie jung genug sind, feige ausweichen.

Besonders gut geht es dem Miau, wenn er einen Bus oder gar ein Taxi fahren darf. Da gibt es für ihn kein Halten mehr, schon gar nicht, wenn etwa 30 km/h erlaubt sind. Wer im Ortsgebiet je einen Bus gesehen hat, der sich an die erlaubten Geschwindigkeiten hält, bekommt angeblich sogar eine Gratis-Jahreskarte der städtischen Verkehrsbetriebe, denn unter 50 km/h ist jeder Miau unterfordert.

Der Miau hat auch eine Lichthupe. Die ist, neben möglichst vielen Pferdestärken, eines der wichtigsten Utensilien zum Vorwärtskommen. Auf der Autobahn werden damit jene Menschen, die bloß 150 oder noch weniger km/h fahren, permanent angeblickt, denn der Miau ist da! Weil es viele Unbelehrbare gibt, muss der Miau ständig mit dem Zeigefinger den Lichthebel betätigen und in vielen Arztpraxen ist die Sehnenscheidenentzündung der linken Finger bereits als „Miausyndrom“ bekannt.

Leider gibt es viel zu viele Länder, in denen Geschwindigkeitsübertretungen streng bestraft werden. So müssen die Miaus zum Teil weite Anfahrten in Kauf nehmen, um günstig zu rasen und die Unfallzahlen zu erhöhen. Beliebteste Ziele sind Deutschland und Österreich. In dem einen Land gilt, mit grüner Regierungsunterstützung, noch immer der basisdemokratische Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“, in dem anderen sind die Strafen in Trinkgeldhöhe ausgeschrieben, außerdem werden dort Polizeiautos nur selten in freier Wildautobahn gesehen. So kann der Miau im Alpenland ohne Sorgen Vollgas geben und die Leit- und Trennlinien zwischen seine Beine nehmen. Das erregende Gefühl, auf dem Strich zu rasen, ist eine der größten Touristenattraktionen der Region.

Andererseits ist der Miau recht gemütlich, zum Beispiel wenn er seine Kinder bei der Schule aussteigen lässt. Er hält dann in zweiter Spur neben einem anderen Miau, der in der Buszone parkt, und ist entspannt wie einer, der „Zen und die Kunst des Aussteigens“ übt. Das Hupen anderer Autos quittiert er mit einem Bussi auf die Wangen seiner Kinder. In solchen Momenten ist der Miau ein Mensch, weil er es auf Kosten anderer sein darf. Denn der Miau hat ein Home, das ist sein Blechkübel und darin ist er König. „King of the road“, wie ein amerikanischer Miau einmal sang, und 

die gehört ihm ganz allein, da können die anderen tuten und hupen, was sie wollen.

Mit anderen Worten: der Miau ist ein Mann wie jeder Miau ihn sich vorstellt. Er ist stark und stets vor allen anderen dort, wo er nicht hin will, etwa im Stau, der bekanntlich von den Anderen gemacht wird. Er ist höflich, wenn er dadurch Mitmenschen stören kann und er ist immer Herr seines Gefährts.

Wieso der Miau etwa 90 Prozent aller tödlichen Unfälle verursacht, ist allen Menschen klar, nur dem Miau nicht. Er hält das für eine statistische Lüge.

 

Innenansicht eines typischen Miau's
Innenansicht eines Miau

 

      


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Erschienen im Jänner 2002

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