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Eine
der schönsten Erfindungen Tirols ist der Föhn. Einerseits nennt man
eine bestimmte Art von Wind so (siehe Lexikon), andererseits wird
hierzulande der Begriff verwendet zur Erklärung jeglichen Übels.
Die
zweite Bedeutung des Wortes ist die wesentliche, wobei es sehr nützlich
– und gewollt – ist, dass Fremde diesen Föhn mit dem anderen, nämlich
dem Fallwind aus dem Süden, verwechseln.
Sagt
ein Tiroler „Es ist Föhn“, meint er damit nicht den Wind, sondern
ein in sich aufkeimendes Unwohlsein. Vielleicht hat ihn eines seiner
Kinder maßlos geärgert, vielleicht hat seine Frau ein Verhältnis
mit dem Nachbarn, vielleicht ist er bloß müde – er will es nicht
wissen, schon gar nicht darüber reden, denn, wie gesagt, es ist Föhn.
Dieser
Satz, in allen seinen Variationen, fordert die Angesprochenen
ausschließlich zu einer Zustimmung heraus. Wer etwa antwortet: „Föhn?
Ich spüre nichts“, diffamiert sich als gefühlsroh, unsensibel,
jedenfalls als Fremdling.
Die
einzig tirolerische Antwort kann nur Zustimmung bedeuten, etwa: „Ein
Wahnsinn, der Föhn heute.“
Der
Föhn stellt alles außer Frage, weil er die Antwort auf alle Fragen
ist. Auf diese Weise werden Probleme kostengünstig und
schnell gelöst, man denke nur an so profane Dinge wie
Beziehungskrisen. In anderen Teilen der weiten Welt, etwa in
Vorarlberg, benötigen Paare Psychologen, Therapeuten,
Gruppendynamiker und andere geistige Haarspalter, um nach Jahren
festzustellen, dass nicht alles zusammen gehört, was sich bisweilen
zusammen findet. Hier weiß man, dass die Ursache der Föhn ist und
wartet, bis er wieder vorbei ist. Danach lebt man friedlich weiter.
Auch
volkswirtschaftlich wird nach dieser Methode vorgegangen: sinken zum
Beispiel die Einnahmen im Tourismus, liegt das ebenfalls am Föhn.
(Bisweilen wird er in diesem Zusammenhang auch „schlechtes Wetter“
genannt.)
Die
Beispiele lassen sich fast beliebig erweitern: schlechte schulische
Leistungen? Föhn kommt. Erhöhte Unfallgefahr in Innsbruck?
Abklingender Föhn. Der Berg kommt immer öfter ins Tal? Ziemlich
starker Föhn.
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Auf
diese Weise trägt der Föhn zur hiesigen Lebensqualität entscheidend
bei: die Berge sind schön, die Menschen nett, das Wetter wunderbar
– außer, es ist Föhn. Der geht oft und für den kann niemand
etwas.
Sie
finden den Text nicht besonders? Was soll ich dazu sagen? Als ich ihn
geschrieben habe, war gerade ... Sie wissen schon.
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Erschienen
1999
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