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Der Splitter
die wöchentliche Kolumne

 

 

Stilleben in Kakanien
Stilleben in Kakanien

 

Ich kleiner Mandarin

„Hast du dein Strafmandat schon bezahlt?“

Meine Freundin sorgt sich gerne um mich.

„Nein. Ich warte erst mal so 30, 40 Jahre.“

Triumph in meiner Stimme.

Sie sieht mich beunruhigt an. Pädagogisch geschult erkläre ich ihr meine Beweggründe:

„Schau mal, das ist so. Wenn ich gleich zahle, ist das ganz normal und bringt rein gar nichts. Wenn ich nix mache und mich weigere, kommt in 30 Jahren der Bundeskanzler und überreicht dir Blumen und mir eine Urkunde für Verdienste um die Republik.“

Ein leises Misstrauen glimmt in ihren Augen.

„Nein, ich habe nichts getrunken. Keinen Tropfen. Ich habe alles im Griff. 2035 werden wir im ORF auftreten und alle werden jubeln. Blaskapellen werden uns umgarnen, Journalisten uns loben.“

Sie greift besorgt an meine Stirn.

„Die sollen von mir aus bis zum Verfassungsgerichtshof gehen“, fahre ich unbeirrt fort. „und der soll mich verurteilen: mir völlig egal!“

Meine Freundin steht auf, holt das Fieberthermometer und steckt es mir unter die Achsel.

„So, jetzt warten wir ein paar Minuten und dann geht’s ab ins Bett.“

Das könnte ihr so passen! Zu meinem Glück bin ich nicht bestechlich.

„Zuerst sage ich gar nichts. Dann protestiere ich. Später gründen wir eine Bürgerinitiative. Und wenn sie unsere Wohnung stürmen wollen, verjagen wir sie mit Hilfe der Tiroler Schützen!“

„Natürlich.“

„Und dann zahle ich, na, sagen wir zehn Prozent des Strafmandats. Die Republik ist überglücklich und lässt und hoch leben. Das wird ein Festakt ohnegleichen!“

Sie sieht auf das Thermometer und nickt.

„40,9. Wenn du Fieber hast, kommst du auf die merkwürdigsten Ideen.“

„Wieso ich? Der Mandarin in Kärnten.“

„Welcher Mandarin?“

„Na der Landeshäuptling von der Mandarinpartei. 40 Jahre nach Erlass eines Gesetzes stellt er ein paar zweisprachige Ortstafeln auf und der Kanzler jubelt.“

„Der ist kein Mandarin, sondern bloß orangefarben.“

„Für eine Orange ist er aber ein bisschen klein geraten“, protestiere ich, während sie mich ins Bett bringt. „Ich will auch eine Orange sein. Zumindest eine Mandarine.“

„Morgen ist alles wieder gut.“ Sie streichelt mir liebevoll über die Wangen. „Ich gehe noch schnell zur Post.“

„Warum?“

„Weil ich dein Strafmandat einzahle. Wir leben nämlich in einem Rechtsstaat.“

Rechtsstaat? Was soll man dazu sagen! Frauen verstehen einfach nichts von Politik. Kein Wunder, dass uns der Kanzler nie besucht.

Schöne Grüße
Ihr/euer Erich Ledersberger
Igls, 23. Juni 2005

PS:  Mandarin ist die Bezeichnung für einen hohen Beamten im alten chinesischen Kaiserreich. Glücklicherweise ist Österreich mit tatkräftiger Hilfe aus dem Westen eine Demokratie geworden. Zumindest teilweise.

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