Neue
Medien - ein alter Hut?
Dem Schreiber dieser Zeilen ist in der vorigen
Woche nicht etwa nichts eingefallen, er hat auch nicht den
wöchentlichen Termin vergessen, alles war ganz anders!
Erstens fand in Graz eine Veranstaltung zum
Thema „Neue Medien und Allgemeinbildung“ statt.
Zweitens wurden dort Erkenntnisse präsentiert, die zwar nicht
objektiv, aber für viele subjektiv neu sind.
Und darüber möchte ich heute kurz berichten.
Bis vor kurzem mussten sich jene, die vor der
Mythologisierung des Computers warnten, noch als „Maschinenstürmer“
oder „Fortschrittsverweigerer“ diffamieren lassen.
Heute, wie schön, wird Kritik wieder zugelassen
und ein differenziertes Bild ist möglich. Die Mythen vom
Computer als großartigen Zeitsparer, Papiersparer, geduldiger
Lernhilfe oder gar Ersatz von LehrerInnen lösen sich in Luft auf. Die
Papierindustrie hat hohe Wachstumsraten, die Menschen stöhnen unter
immer mehr Stress und LehrerInnen wissen nicht, ob sie zuerst die
pädagogischen Probleme mit ihren SchülerInnen lösen sollen und
danach die EDV-Probleme oder umgekehrt.
„Der Computer löst jene Probleme, die ohne
ihn nicht vorhanden wären“, schrieb ein Computerexperte in
Anlehnung an den berühmten Satz von Karl Kraus „Die Psychoanalyse
ist jene Krankheit, für deren Heilung sie sich hält.“
Derzeit entsteht im Bewusstsein früherer
EDV-Fans eine neue, realistische Bescheidenheit.
„Vielleicht hätten wir doch lieber neue Tische
kaufen sollen und die Schulgebäude renovieren lassen, statt alles
Geld in Computer zu investieren“, meinte ein Vertreter des
Ministeriums, der vor einigen Jahren vehement für den Computereinsatz
eingetreten ist. Solche Sätze geben Anlass zu leichtem Optimismus.
Erstaunlich war die Veranstaltung auch deshalb,
weil mit Ausnahme eines Referenten - es waren nur
Männer geladen - alle die neuen Medien nicht nur kritisch
hinterfragten, sondern letztlich den Begriff neu als Mythos
entlarvten. Lernen macht auch mit Computer wenig Spaß, es bleibt
mühsam und anstrengend. So wie auch das Radio, das Fernsehen und der
Videorecorder das Lernen nicht lustig und locker machten, wie es
damals schon versprochen und nicht gehalten wurde.
Vom ehemaligen Professor des MIT über den Soziologen
der Universität bis zum Exmitglied des CCC (Computer Chaos Club)
waren alle darüber einig, dass Computer in den ersten sechs
Schulstufen nichts verloren haben, dass der Zugang zu qualitativ
hochwertigen Informationen in Zukunft teuer sein wird und dass keine
SchülerInnen mit NobelpreisträgerInnen per E-Mail kommunizieren
werden. (Das war eine der vielen Illusionen über das Internet, die
von Leuten propagiert wurde, die es hätten besser wissen müssen.)
Zum Abschluss noch eine kleine Pointe:
Während am Montag von einer österreichischen Universität
erzählt wurde, an der Studentinnen und Studenten mit Bonuspunkten
belohnt werden, wenn sie das Internet benutzen, berichtete am
Dienstag Peter Glaser von Studierenden in den USA, die belohnt werden,
wenn sie das Internet nicht benutzen, sondern in die Bibliothek
gehen. In den USA hat man festgestellt, dass das Internet mit
Sicherheit nicht klüger, möglicherweise aber dümmer macht.
So schnell ändern sich die „Wirklichkeiten“!
Allerdings: ein Gewinn ist alles, was mit e- beginnt, dennoch.
Für die Computerindustrie.
Schönen Tag noch,
Ihr/euer
Erich Ledersberger
Igls, Tirol am 28. Oktober 2002
|