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Der Splitter
die wöchentliche Kolumne

 

 


Prof. Joseph Weizenbaum

 

 

Neue Medien - ein alter Hut?

Dem Schreiber dieser Zeilen ist in der vorigen Woche nicht etwa nichts eingefallen, er hat auch nicht den wöchentlichen Termin vergessen, alles war ganz anders!

Erstens fand in Graz eine Veranstaltung zum Thema „Neue Medien und Allgemeinbildung“ statt.
Zweitens
wurden dort Erkenntnisse präsentiert, die zwar nicht objektiv, aber für viele subjektiv neu sind.
Und darüber möchte ich heute kurz berichten. 

Bis vor kurzem mussten sich jene, die vor der Mythologisierung des Computers warnten, noch als „Maschinenstürmer“ oder „Fortschrittsverweigerer“ diffamieren lassen.

Heute, wie schön, wird Kritik wieder zugelassen und ein differenziertes Bild ist möglich. Die Mythen vom Computer als großartigen Zeitsparer, Papiersparer, geduldiger Lernhilfe oder gar Ersatz von LehrerInnen lösen sich in Luft auf. Die Papierindustrie hat hohe Wachstumsraten, die Menschen stöhnen unter immer mehr Stress und LehrerInnen wissen nicht, ob sie zuerst die pädagogischen Probleme mit ihren SchülerInnen lösen sollen und danach die EDV-Probleme oder umgekehrt.

„Der Computer löst jene Probleme, die ohne ihn nicht vorhanden wären“, schrieb ein Computerexperte in Anlehnung an den berühmten Satz von Karl Kraus „Die Psychoanalyse ist jene Krankheit, für deren Heilung sie sich hält.“

Derzeit entsteht im Bewusstsein früherer EDV-Fans eine neue, realistische Bescheidenheit.

„Vielleicht hätten wir doch lieber neue Tische kaufen sollen und die Schulgebäude renovieren lassen, statt alles Geld in Computer zu investieren“, meinte ein Vertreter des Ministeriums, der vor einigen Jahren vehement für den Computereinsatz eingetreten ist. Solche Sätze geben Anlass zu leichtem Optimismus.

Erstaunlich war die Veranstaltung auch deshalb, weil mit Ausnahme eines Referenten - es waren nur Männer geladen - alle die neuen Medien nicht nur kritisch hinterfragten, sondern letztlich den Begriff neu als Mythos entlarvten. Lernen macht auch mit Computer wenig Spaß, es bleibt mühsam und anstrengend. So wie auch das Radio, das Fernsehen und der Videorecorder das Lernen nicht lustig und locker machten, wie es damals schon versprochen und nicht gehalten wurde.

Vom ehemaligen Professor des MIT über den Soziologen der Universität bis zum Exmitglied des CCC (Computer Chaos Club) waren alle darüber einig, dass Computer in den ersten sechs Schulstufen nichts verloren haben, dass der Zugang zu qualitativ hochwertigen Informationen in Zukunft teuer sein wird und dass keine SchülerInnen mit NobelpreisträgerInnen per E-Mail kommunizieren werden. (Das war eine der vielen Illusionen über das Internet, die von Leuten propagiert wurde, die es hätten besser wissen müssen.)

Zum Abschluss noch eine kleine Pointe:
Während am Montag von einer österreichischen Universität erzählt wurde, an der Studentinnen und Studenten mit Bonuspunkten belohnt werden, wenn sie das Internet benutzen, berichtete am Dienstag Peter Glaser von Studierenden in den USA, die belohnt werden, wenn sie das Internet nicht benutzen, sondern in die Bibliothek gehen. In den USA hat man festgestellt, dass das Internet mit Sicherheit nicht klüger, möglicherweise aber dümmer macht.

So schnell ändern sich die „Wirklichkeiten“!
Allerdings: ein Gewinn ist alles, was mit e- beginnt, dennoch.

Für die Computerindustrie.

Schönen Tag noch,
Ihr/euer
Erich Ledersberger

Igls, Tirol am 28. Oktober 2002

 

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