The
big sleep Das
Glück der österreichischen Regierung ist die Vergesslichkeit
der Wählerinnen und Wähler.
Vergangenen Dienstag
diskutierten ein Bundeskanzler, der eigentlich in Opposition
ist, mit seinem Regierungspartner, dessen Ablaufdatum absehbar ist.
Dr. Schüssel hat bekanntlich vor der Wahl gesagt, dass er mit
Sicherheit in Opposition geht, wenn er Dritter wird. Das geschah, aber
nach der Wahl war alles anders. Der Dritte warf sich mit Elan nach
vorn und wurde Bundeskanzler.
Minister Haupt
seinerseits meint ebenfalls alles anders, als er es sagt. Das
ist zumindest die Ansicht des Kanzlers.
„Das meinen Sie nicht
so.“
„Ich kenne Sie doch als warmherzig.“
„Das können Sie nicht so meinen.“
So und ähnlich tönte es
von Seiten des Regierungs“chefs“, als Minister Haupt einigen
Mitgliedern seiner Partei den Austritt nahe legte. Solche Ansichten
machen es schwer, eine Wahl zu treffen, ohne in Schizophrenie zu
verfallen. Wenn einer sagt, was er nicht meint und das außerdem
selbst nicht versteht, wie sieht dann ein Regierungsprogramm dieser
Koalition aus?
Der Versuch des
ORF-Redakteurs, den beiden eine Aussage über eine zukünftige
Koalition zu entlocken, wurde redegewandt ignoriert. Man sei nach
allen Seiten hin offen.
Nach 20 Minuten
brummte mir der Kopf derart, dass ein Gang zum Kühlschrank nicht zu
verhindern war. Ich holte mir einen Kilo Eiswürfel, hüllte sie in
ein Geschirrtuch und legte mir das Ganze auf den Kopf. Vielleicht
konnte ich nun den Sätzen der angeblichen Kontrahenten folgen.
Es war vergebliche
Liebesmüh’.
Noch immer erklärte der
Kanzler dem Minister, welcher Meinung jener war, während der in „aller
Klarheit“ sagte, dass alles anders sei. Wie, sagte er nicht so
genau, aber das spielte ohnehin keine Rolle mehr. Nach wenigen Minuten
schlief ich den Schlaf des Gerechten, angenehm gekühlt von meinen
Eiswürfeln.
Am Donnerstag
saßen einander Dr. Gusenbauer und Prof. van der Bellen gegenüber.
Kleinlaut gestehe ich:
Vieles von dem, was der Professor sagte, war richtig. Aber wem hilft
das? Ich kenne wenige Wahlkämpfe, in denen „das Richtige“ gewann.
Viel bedeutender in unserer Mediendemokratie ist der Gefühlsinhalt
der Botschaften. (Wieder einmal die Empfehlung, Josef Haslingers Buch
„Politik der Gefühle“ zu lesen.) Und gefühlsmäßig ähnelte die
Diskussion am Donnerstag jener vom Dienstag. Mich überkam ein großer
Schlaf.
In diesem Sinn:
Gute Nacht Österreich
Ihr/euer
Erich Ledersberger
Igls, Tirol am 11. November 2002
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