Vorige Woche wurde hier
das erste Mal die überraschende These aufgestellt, dass kein
Politiker lügt. Zum Beweis werde ich weitere Beispiele anführen,
etwa den ehemaligen Bundeskanzler Deutschlands, Helmut Kohl.
Dieser Mann ist Politiker
und daher ebenfalls einer, der nie lügt. Weil er nichts sagt, was
überhaupt eine nahezu optimale Möglichkeit ist, nichts als die
Wahrheit von sich zu geben.
Vergangenen Montag - für
zukünftige HistorikerInnnen: es war der 12. Mai 2003 - gab es eine
Sendung namens Panorama in der ARD. Ein altmodischer Reporter, der
anscheinend noch immer in dem Wahn lebt, die Welt aufklären zu
wollen, fragte den Ex-Kanzler und nunmehrigen Abgeordneten der
christlich-sozialen Partei, wofür er die € 300.000 bis €
800.000.- Honorar von Leo Kirch bekommen habe.
Zur Erklärung:
Leo Kirch ist Eigentümer
eines Unternehmens gewesen, das nahezu ein Monopol für den An- und
Verkauf von Filmen an deutsche Fernsehanstalten hatte. Leider ging das
Unternehmen in Konkurs und so erfuhr die erstaunte Öffentlichkeit,
dass der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl zwischen den besagten
300.000 und 800.000 Euro kassierte. Allerdings wusste niemand, warum
er dieses Geld bekommen hatte. Leo Kirch selbst meinte vor dem
parlamentarischen Untersuchungsausschuss, es sei nicht wegen seiner
kaufmännischen Fähigkeiten gewesen. Mehr sagte er nicht.
Und nun beginnt es in den
Gehirnen der Menschen zu rattern. Hätte mir, denkt sich der
Hafenarbeiter in Hamburg, Leo Kirch auch - der Hafenarbeiter ist
bescheidener als der Bundeskanzler - € 100.000 als Honorar bezahlt,
obwohl ich zumindest auch kein kaufmännisches Talent habe?
Warum bezahlte Leo Kirch
den Bundeskanzler, aber nicht die einfache Hausfrau aus Buxtehude,
obwohl auch die nicht gut rechnen kann?
Rätsel über Rätsel,
die der Bundeskanzler dem eifrigen Reporter erstmals so beantwortete:
„Das Geld habe ich
bekommen, damit ich ein Gesicht wie das Ihre ertragen kann.“
Nuja, das klang nicht
sehr überzeugend und so ergänzte der Ex-Kanzler seine Ausführungen
in etwa so:
Er habe das Honorar
bekommen, damit er einen Fonds gegen „Vaterlandsverräter wie Sie
und die ARD“ gründen könne.
Vaterlandsverräter?
Das Wort kennen wir doch
- wer hat das bloß verwendet?
Jedenfalls:
Der ehemalige deutsche
Kanzler hat nicht gelogen, weil er nicht gesagt hat, wofür er dieses
Anerkennungshonorar bekommen hat.
Quod erat demonstrandum,
wie die Lateiner gesagt haben:
Was zu beweisen war.
Und wer noch immer nicht
glaubt, dass kein Politiker lügt, dem will ich zum Schluss die
Geschichte vom Eurofighterkauf erzählen.
18 Eurofighter kosten in
10 Jahren 1.970 Millionen Euro.
Dem Parlament hat die
österreichische Regierung gesagt, dass diese Flieger 1.337 Millionen
kosten.
Vereinfacht ausgedrückt,
die Kosten sind jetzt um ungefähr 50 Prozent höher geworden.
Hat die Regierung
gelogen?
Natürlich NICHT!
Die 1.337 Millionen waren
ohne Systemkosten gemeint, die 1.970 sind mit Systemkosten!
Alles klar? - Eben.
Eine Regierung kann gar
nicht lügen, weil sie aus Politikern besteht, die per definitionem
nicht lügen.
Und selbst wenn unser
oberster Fluggendarm, der neue Verteidigungsminister aus dem Land der
Adler, über Detailfragen nichts Genaues nicht weiß (Standard vom 17.
Mai 2003), bleibt als Zusammenfassung nach Reinhard Mey:
Über den Wolken muss die
Freiheit des Budgets grenzenlos sein.
Und: Kein Politiker
lügt!
Schöne Woche