Vom
Niesen und Nasenbohren
Wer
immer das Taschentuch erfunden hat: ein Mensch der Ruhe und
Besinnung war es nicht.
Seit
dieser Erfindung schnäuzt sich die zivilisierte Welt dezent und
versucht dabei, jegliches Gefühl zu unterdrücken. Die Zeiten
sind vorüber, als noch laut und befreiend geniest wurde. Kaum jemand
kennt mehr die erleichternde Wirkung eines kräftigen „Hatschiii“,
bei dem der Kopf in Vorfreude rot wurde und sich danach ein seliges
Lächeln im Gesicht breit machte.
Anstelle
dessen: mürrische Mienen und nieselnde Nasen, ein
Glück nur für die Papierindustrie, die längst die leinernen
Stofftücher vom Markt verdrängt hat. Und auch das Nasenbohren ist
seit langer Zeit verpönt. Schon kleine Kinder werden von ihren Eltern
streng darauf hingewiesen, dass dieser entspannende Zeitvertreib zu
den schlimmsten Sünden gehört.
Kein
Wunder, dass so viel Unterdrückung zu Widerstand
herausfordert. Das Ergebnis sehen wir an jeder Kreuzung, in jedem
Stau: Endlich allein hinter den eigenen zwei oder vier Türen
entspannen sich viele und geben sich dem meditativen Nasenbohren
hin. Waren es früher nahezu ausschließlich Männer, die versonnen
ihre Nasen streichelten, hat auch hier die Emanzipation zugeschlagen.
Neulich
beobachtete ich eine elegante Dame in ihrem Luxusauto, wie sie mit rot
lackierten Nägeln nachdenklich ihre Nase von außen befühlte,
zufrieden mit dem Zeigefinger hineinglitt und ganz bei sich
war. Aller Stress war von ihr abgefallen, sie sah nicht das Grün der
Ampel und hörte nicht das Hupen der hinter ihr stehenden Autos. Ein
Lächeln umspielte ihren Mund, sie war versunken in sich und die Welt.
Es
sind diese stillen Augenblicke, die daran erinnern, dass wir das
Glück im Kleinen finden. In diesem Sinn empfehle ich für eine
schöne und beschauliche Woche den Ratgeber „Zen und die Kunst des
Nasenbohrens“ -
schöne Woche
Ihr/euer
Erich Ledersberger
Igls, 9. Februar 2004
Lachen
macht Spaß!
Denken macht Spaß!
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