Woodstock Revival
in Imst
Ja,
ich war dort. Und nein, ich bin nicht völlig bekifft zwischen
Bierbechern gelegen oder habe mein Becherbier in die Menge geworfen.
Nein,
vielmehr bin ich Opfer eines dieser Objekte geworden. Nach sage und
schreibe 12 stunden Imst wurde mir des Regens wegen etwas kalt. Es war
immerhin schon 22 Uhr und da ist die Sonne bekanntlich auch schon lang
wieder zu Hause.
Ich
leider nicht.
Nein,
Klein-Anna steht am Rande des Wahnsinns, sprich: neben 10.000
schwitzenden Menschen, die gemeinsam auf 20 m² Schotterplatz
herumhüpfen.
Genau, cypress hill live
on stage.
Leider
bin ich um Meter zu uncool, um diesen act zu genießen, ich leide
nämlich an Platzangst. Kein Witz!
Also
stehe ich etwas abseits und beobachte die Menge beim
"Abgehen", so nennt man das nämlich. In diesem Moment
springen mir ein paar lustige Kerlchen in den Rücken, haken sich in
meinem Rucksack ein und ziehen mich in ihrer Panik mitten in die
Menge.
Endlich
ausgehakt finde ich mich unter 29 Achselhöhlen wieder, da ja ALLE
Arme gen Himmel gestreckt federnd auf und ab wippen.
Um
sich dieser ungewollt familiären Situation galant zu entziehen bleibt
genau eine Möglichkeit: mithüpfen. Dies musste ich nach einem
unsanften Aufprall eines Ellbogens auf meinem Haupt feststellen. Also
springe ich mit, allerdings die Hände nicht in da beat nach oben,
sondern an den Rucksackträgern festkrallend, stets auf die
Autoschlüssel im Hinterfach bedacht. Sollte mir die einer klauen,
würde ich meine Ellbogen effektiver einsetzen.
Hüpfenderweise
(auf der Stelle) entkommt man auch originellen Anmachen nicht.
"Bist du aus dem
Ländle?"
Wow.
ein springender Primat versucht sich an einem Satz mit Verb! Im
Normalfall wird man mit nur zwei Worten über die aktuelle Situation
informiert:
„Ich Klo“ oder „Kebab
Stand“ äußerst häufig natürlich auch: „Dübel“, „Bong“
und „Gras“.
Schade
nur, dass dies keine offene Frage war, also musste er sich mit der
empörten Antwort „Nein“ begnügen.
Also
weiter hüpfend, um nicht von der Masse „besprungen“ zu werden,
suche ich eine Fluchtmöglichkeit. Und da passiert es!
ZACK!
Schwarz
vor Augen und die melodischen Klänge einer Hardcore-Hiphop-Band nur
mehr dumpf.
AUTSCH! Ein paar extrem
witzige Grashüpfer im Zentrum der Menge haben sich fallen lassen, und
da das Rudeltier Mensch ein feiges welches ist, hat niemand die
Fallenden aufgefangen, sondern jeder hat den hinter sich noch weiter
zurückgedrängt, bis am Ende der Kette die Köpfe zusammenklatschten.
Unter
den Betroffenen: ich.
Dem
nicht genug, wird von hinten als Racheakt nach vorne geschupst und
ZACK! die zweite.
Wieder
knallt mein Kopf gegen die (hohle) Birne eines Springenden. Das Glück
im Unglück: ein Security Mann, der zufälligerweise nicht die Arme in
der Luft hat und nicht herumspringt, sieht dies und brüllt mir durch
die Menge zu:
GEHT'S? Ich verstehe
nicht recht, halte mir mit den Händen den pochenden Kopf und gehe
einen Schritt auf den schreienden Mann zu.
ZACK, die dritte.
Kein
Witz. Ein Ellbogen prallt auf meinem Hinterhaupt auf, hüpft
allerdings mit dem **** dran weiter. Der Security reicht mir die
helfende Hand und zerrt mich über die Eisenabsperrung aus der Menge.
Ich bedanke mich artig und wanke Richtung Toilette, eine starke
spontane Übelkeit überkommt mich.
In
diesem Moment fliegt ein voller Becher Bier in meine Richtung,
entlädt sich noch im Flug um 50% Inhalt und knallt mir auf die
Schulter.
PFLATSCH, die erste.
Die
komplette linke Seite nass, Bier im Aug und eine Übelkeit, die sich
gewaschen hat. Durch die plötzliche halbseitige Blindheit fange ich
an zu torkeln, so dass sich der Security bemüßigt fühlt, mich zum
Krankenwagen am anderen Ende des Geländes zu geleiten.
Um
ehrlich zu sein: Ich war froh um die starke Schulter, die meinen
Rucksack und damit mich dorthin zerrte, ich wäre nämlich im Dunkeln
über mehrere Menschen gestolpert, die sich im Müll am Boden zum
Schlafen hingelegt hatten. Im Krankenwagen ein kleiner Sehtest und die
Empfehlung, heute nicht mehr Auto zu fahren.
Klar.
Endlich wieder in Freiheit und sehend, krame ich nach meinem
Autoschlüssel, um diesen Ort zu verlassen. Siehe da! Die Schlüssel
sind weg.
Den
Tränen nahe stapfe ich wieder in Richtung Menge, um das **** mit
meinem Schlüssel ausfindig zu machen. Vor Ort werde ich von der
Realität eingeholt: beim Springen muss sich wohl mein Rucksack
aufgemacht haben, denn der gesamte Inhalt ist weg und wer klaut bitte
ein Deodorant, ein Filofax und einen kindischen Blumenkuli ?
Eben,
niemand. Die Devise lautet also: warten, bis keine Menschen mehr am
Tatort springen. nun, das Konzert geht dem Ende zu, durch die Zulagen
der Gruppe entsteht ein fließender Übergang zur nächsten Band.
Aktuelle
Uhrzeit: 23 Uhr. Um 19 Uhr wollte ich schon zu hause sein.
„Wir
sind Helden“ spielen wunderbar ungezwungen, feiern noch den
Geburtstag eines Bandmitgliedes und beenden nach zwei Zugaben um 1 Uhr
ihr Konzert.
Meine
Chance!
Ich
setze mich auf einen Stein etwas abseits des Schotterfeldes und warte,
bis die vielen Springer von dannen gezogen sind, um dann im Matsch und
Müll nach meinem Schlüssel zu suchen.
Um
1:30 Uhr hat sich erst die Hälfte der Leute vertschüsst, der liebe
Security von vorhin kommt auf mich zu und schreit:
NEIN NEIN NEIN!
Mein
Gott, wird da wer erschossen?! Schockiert ducke ich mich und halte
mich am leeren Rucksack fest.
DA HAT VORHIN JEMAND
HINGEPINKELT! schreit er.
Ui.
war eigentlich klar. Anna springt auf und prallt gegen einen
Festivalbesucher, der einen vollen Becher Bier in der Hand hält.
PFLATSCH, die zweite.
Egal.
die linke Seite wäre ohnehin schon fast trocken geworden. Ich
entschuldige mich und laufe auf den Platz, wo ich auch sofort mein
niedergetretenes und niedergesprungenes Filo finde, der Kuli hat's
auch überlebt, der Schlüssel liegt wartend neben einer Sonnenbrille.
Nicht meine, ich nehme sie trotzdem mit und gebe sie in dem Lost&Found
Büro ab. Bei dieser Gelegenheit gehe ich noch schnell meine blase
entleeren.
Kurz
ein unfeines Detail am Rande: Ich setze mich auf öffentlichen
Toiletten nie auf die Klobrille, sondern nehme eine sportliche
Schispringerhaltung ein, um jeglichen Kontakt mit der Toilette zu
vermeiden. In dieser Position verharrend sehe ich, wie die Türe
aufgerissen wird und mich ein Mädchen völlig schockiert anstarrt.
Wir stammeln beide ein entschuldigendes Wort, die Türe knallt zu und
ich höre draußen ein Gekicher losgehen. Leider muss ich aber dann
doch mal raus, klarerweise passen mich genau vor der Toilette
dieselben Mädchen ab, die bei dem Schauspiel Zeugen waren, aber mein
Gesicht noch nicht ganz gesehen hatten.
Als
sie mein Gesicht dann auch sehen, startet ein völlig peinliches
Gelächter und ich sage: „Pinkelt ihr im Stehen?“
Okay,
pinkeln habe ich nicht gesagt. Ich habe ein Wort gewählt, das mit
Booten zu tun hat, also mit Schiffen.
Die
Lachnummer ist perfekt, hochroten Kopfes verlasse ich um 2 Uhr my
private stage quasi und hopple fast weinend zum Auto. Mit 160 km/h
(selbstverständlich nur in erlaubten Zonen) trete ich das Auto nach
Hause, falle ins Bett und hoffe, diesen Tag vergessen zu können.
Anna-Carina Anreiter
Igls, 12. Juli 2004
Lachen
macht Spaß!
Denken macht Spaß!
|