Mexiko

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Bericht 3

 

  

 

 

Seit 10 Tagen sind wir nun in Guadalajara, auf 1600 m Höhe und ungefähr am 20. Breitengrad. Die Temperaturen liegen zwischen 12 Grad am Morgen und 27 zu Mittag. Bisher schien fast immer die Sonne, also ein angenehmes Klima. Die Zeit wurde letzten Sonntag auch zurückgestellt, sodass wir weiterhin 7 Stunden später dran sind.

Wir leben hier in einem Haus nahe dem Zentrum der 5-Mio-Einwohner-Stadt gemeinsam mit Luiz und Pato, die bei IMDEC arbeiten, einem Institut, das emanzipatorische Erwachsenenbildung macht, Tanja und Iwan, den erwachsenen Kindern von Luiz, die oft von Freunden besucht werden, einer jungen Familie aus London mit ebenfalls 2 Kindern, 3 Katzen und 2 Hunden, die sich allerdings nur im Garten/Hinterhof aufhalten.

Es ist also immer was los, heute (sonntags) gab's ein mexikanisches Frühstück (Eier, Chili und Bohnen von Luiz) und anschließend englischen Tee mit Keksen.

Das Haus ist - wie hier üblich - einstöckig, mit einer Terrasse und einem Zimmer im ersten Stock, darunter sitzt man in einem Innenhof offen, aber überdacht.

Die Räume gehen, außer der Küche und einer Speisekammer, vom Innenhof oder Garten weg.

Guadalajara wird im Werbeprospekt einer Sprachschule beschrieben als Stadt mit "kosmopolitischer Ausstrahlung und kolonialem Charme". Im Reiseführer steht, es biete Besuchern "leider nur mexikanische Stadttristesse (darunter auch Hässliches), doch das Centro histórico ist sehr sehenswert".

Wenn man als TouristIn für ein paar Tage da ist, könnte man vielleicht diesen Eindruck haben, aber nicht, wenn man sich darauf eingerichtet hat, hier einige Zeit zu leben. Natürlich kann man es nicht mit einer europäischen Großstadt vergleichen, aber auch zB in Brüssel sind uns die vielen desolaten Häuser aufgefallen, die Spekulationsobjekte sind. Und womit man - natürlich? - auch sofort konfrontiert ist, sind die Leute, die versuchen mit Betteln zu überleben oder mit dem Verkauf irgendwelcher Dinge auf der Strasse.

Seit Cortés mit 600 Soldaten am 21. April 1519 in Vera Cruz landete, werden die Reichtümer des Landes von fremden Mächten ausgebeutet, vor allem von Spanien, England und den USA. Weil damit die Entwicklung des Landes behindert wurde und noch immer wird, gingen über 8 Millionen der 100 Millionen Einwohner Mexikos legal oder "illegal" in die USA um zu arbeiten. Es ist gerade in der Zeitung gestanden und soll auch ein Beitrag sein zur Diskussion um die deutsch-deutsche Geschichte: In den letzten 6 Jahren starben 1.400 MexikanerInnen beim Versuch, ohne Einwanderungspapiere über die bestgesicherte Grenze der Welt zu kommen.

Neben dem Fest der Jungfrau von Guadalupe am 16. Dezember ist der 'Dia de los Muertos', der Tag der Toten, am 2. November der wichtigste Feiertag. In der Nacht vom ersten auf den zweiten besuchen die Toten nämlich die Lebenden, daher gehen Letztere auf den Friedhof, bringen deren Lieblingsgerichte und -getränke mit, auch Tequila, und feiern, tanzen und singen dort. Schon Wochen vorher gibt es überall Totenschädel und -gerippe aus Plastik oder Zucker zu kaufen und zu Hause und in der Öffentlichkeit werden Altäre aufgestellt und mit Blumen und den Lieblingsgegenständen der Toten geschmückt.

In unserem Haus steht ein Altar für den Dichter Juan Rulfo , in der Uni einer für die Malerin Frida Kahlo, an einem Platz im Zentrum haben StudentInnen mehr als 20 Altäre aufgebaut, unter anderem einen für Ernesto Guevara oder einen anderen für die über tausend Toten eines Massakers, das die Polizei von Mexiko-Stadt unter den streikenden Studenten kurz vor Beginn der olympischen Spiele 1968 angerichtet hatte (und für das noch niemand zur Rechenschaft gezogen worden ist).

Liebe Grüße aus Guadalajara

Ulla und Christian

      


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