Vom
gesunden Schlaf
Vorigen Dienstag fand die erste Diskussion
zwischen zwei österreichischen Parteiführern anlässlich der
Nationalratswahl statt. Da es sich bei Führern ausschließlich um
Männer handelt, kann ich auf die ästhetisch doch fragwürdige Form
der „FührerInnen“ verzichten und wende mich sogleich den
ungeheuren und imposanten Inhalten zu.
In der ersten Runde trat Professor van der Bellen
gegen den Bundeskanzler himself, Dr. Schüssel an.
Ich stellte mir eine Flasche dunkles Bier und eine
Flasche Grünen Veltliner auf den Tisch, um meine politische
Ausgewogenheit zu demonstrieren und harrte der Dinge, die da kommen
werden.
Ein etwas fülliger Moderator, der vor einigen
Monaten der Sportredaktion des ORF entwischt war, kündigte die
Kontrahenten an und dann begann der spannende Fight. Angeblich haben
ihn drei Mal mehr ZuschauerInnen gesehen als den Kampf vor drei
Jahren, sagte der ZiB-Moderator des nächsten Tages. Diese Zahl kann
sich nur auf den Beginn der Sendung bezogen haben.
Die Geschichte endete nämlich bei mir nach
wenigen Minuten mit einem Tiefschlaf, aus dem mich meine Frau nur
durch heftiges Treten auf das Schienbein wachrütteln konnte. Mein
Schnarchen sei bis in das weit entfernte Schlafzimmer gedrungen. Sie
habe mich für einen brüllenden Löwen gehalten.
Am Donnerstag schlugen nun die Fighter Gusenbauer
und, jetzt ist mir glatt der Name entfallen, nun ja, der
donnerstägige Vertreter der FPÖ verbal aufeinander ein.
Mein Arzt, dem ich von meinen Wachproblemen
erzählt hatte, gab mir einige Aufputschtabletten der härteren Sorte,
weil Ecstasy allein im österreichischen politischen Kampf nichts mehr
helfen könne. Ich saß folglich wie eine Eins vor dem Fernsehapparat
und hing mit meinen Augen an den Lippen der beiden Schönmenschen.
Es wurde ein schöner Abend!
Der Frauenministerin sagte andauernd, dass
er „in aller Klarheit feststellen wird, warum“ und darauf folgte
etwas, das mit der Frage niemals nichts zu tun hatte.
Der Oppositionsführer war daraufhin stets „der Meinung,
dass, und das habe ich immer gesagt“ die Sozialdemokratie schon
immer und überhaupt.
Worauf der Minister in aller Klarheit antwortete,
dass er nicht dieser Meinung sei, weil in Deutschland das rotgrüne
Chaos nur deshalb fortgesetzt wird, weil die Ausländer so gewählt
hätten. Nun dürfen zwar auch in Deutschland AusländerInnen nicht
wählen, da bin ich mir ganz sicher, aber ich bin schließlich kein
Politiker, der anscheinend von seiner Berufung heraus gar nichts
wissen darf und wenn, dann jedenfalls das Falsche.
Warum, dachte ich nach drei Stunden, hat mir
mein Arzt dieses rezeptpflichtige Medikament verschrieben, dieses
Ecstasy zum Quadrat? Vorgestern konnte ich noch friedlich bei
Bundeskanzlers Hügelpredigt einschlafen, heute muss ich zählen, wie
oft der eine „Klarheit“ sagt und der andere „Meinung“. Wie
schön waren dagegen die Schafe, die ich früher über Hürden
springen ließ und zählte.
Jetzt sitze ich bereits fünf Stunden vor dem
Fernseher und meine Uhr behauptet, - jetzt weiß ich es, Haupt heißt
der Donnerstagskandidat der FPÖ! - es seien erst 30 Minuten
vergangen. Wann wird das alles enden?
Jedenfalls nicht nächste Woche, denn dann geht es
in die nächsten Runden:
Bundeskanzler gegen irgendeinen Kandidaten der FPÖ und danach Grün
gegen Rot.
Falls ich nicht einschlafe, berichte ich am
nächsten Montag von den Ergebnissen!
Schönen Tag noch,
Ihr/euer
Erich Ledersberger
Igls, Tirol am 4. November 2002
|