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Der Splitter
die wöchentliche Kolumne

 

 

Und da habe ich gesagt, Susi, habe ich gesagt, geh doch zur Bausparkasse Wüstenrot. Dort kannst du deine Fähigkeiten gut einsetzen und redest einfach drauflos, wie ich.
Politiker beim Selbstgespräch 
(früher Interview genannt) 

 

 

Die Wörterflut

Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf Österreichs Autobahnen liegt derzeit bei etwa 130 kmh. Seltsam, werden Sie sagen, wenn diese Geschwindigkeit gleichzeitig der Höchstgeschwindigkeit entspricht. Daraus lässt sich schließen, dass die meisten Autofahrer diese überschreiten.

Mag sein, aber viel schlimmer ist die ständige Zunahme an Wörtergeschwindigkeit. Autobahnen kann man meiden, aber das Reden gehört leider nach wie vor zu den grundlegenden humanen Ausdrucksformen.

Bisher hielt ich nämlich den flutartig auftretenden Wortschwall meiner Tochter für ein individuelles Problem. Dann hörte ich Arabella Kiesbauer! Gegen diesen Wörterfall hörten sich die Sätze meiner Tochter an wie das leise, gemütliche Plätschern eines Waldbächleins. Diese Erkenntnis machte mich neugierig und so begann ich mit der objektiven Erforschung des allgemeinen humanen Verbaloutputs, um es unverständlich, also wissenschaftlich auszudrücken.

Die vorläufigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die allgemeine Sprechgeschwindigkeit, also die herausgepressten sprachähnlichen Silben pro Sekunde, in den letzten Jahren um etwa 40 Prozent gestiegen ist! Als herausragende Wegbereiterin, als Verbalavantgarde sozusagen gilt im politischen Bereich Susanne Rieß-Passer. Sie konnte bei einem Interview mindestens fünf nicht gestellte Fragen beantworten! Bundeskanzler Schüssel hingegen bringt es pro Interview bloß auf drei, während Alexander van der Bellen so lange versucht, die gestellte Frage zu beantworten, bis die Sendezeit um ist. Kein Wunder, dass die Grünen erst einen Bundeskanzler stellen werden, wenn Eva Glawischnig Spitzenkandidatin ist.

Dieselbe Entwicklung ist bei Radio und Fernsehen zu beobachten. Dort gibt es Menschen, die offensichtlich nach der Anzahl der ausgeschiedenen Wörter bezahlt werden, so wie Zeitungsjournalisten nach Zeilen. Der Inhalt spielt dabei keine Rolle, es geht ausschließlich um Quantität statt Qualität.

Ein typischer Trialog - auf Ö3 reden bereits drei Menschen gleichzeitig in ein Mikrofon - kann dann aus Sätzen bestehen wie:
„Na, das haben wir doch schon immer gewusst, dass der XY ... hahaha ... also der ist doch immer so witzig ... hahahah .... Wie kommst du jetzt auf den XY? Warum nicht?“ Und stundenlang immer so weiter, bis die Lautsprecher aus Mitleid kaputt werden.

Welche Maßnahmen können nun konkret gegen die grassierende Logorrhö, den Wortdurchfall aber getroffen werden? Nicht viele.

Der psychoanalytische Ansatz (es handelt sich um eine frühkindliche Störung durch zwangsneurotisch reinliche Eltern, die ihr Kind zu früh aufs Topferl setzten) hilft kurzfristig genausowenig wie der verhaltenstherapeutische (die WortausscheiderInnen bekommen nach jeder Minute Schweigen ein Zuckerl in den Mund geschoben). Bewährt hat sich jenes Gerät, das bereits unsere Großeltern gegen den Straßenlärm verwendeten: Ohropax.
Friede den Ohren!

Ihr/euer Erich Ledersberger
Igls, 7. Juli 2003


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