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Gletschergolfer unterwegs
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Die sportliche Elite
Falls
Sie im vergangenen Sommer Schiläufer gesehen haben, die ohne
Schnee den Langlauf geübt haben, machen Sie sich nichts draus.
Sie hatten keine Halluzinationen, sondern sind „Nordic Walkern“
begegnet, der sportlichen Elite des Jahres 2003.
Das
ist eine relativ neue Sportlergattung, die es mittlerweile auch
southic (=im Süden) gibt. Ein „Nordic Walker“ ist meistens ein übergewichtiger
Stadtmensch, dessen Leibesumfang ihn am Laufen hindert. Damit ihn
das nicht seelisch kränkt, hat die Sportartikelindustrie Expertinnen
und Experten dazu veranlasst, das Gehen mit Schistöcken zum
Gesundheitshit zu erklären. Seither keuchen Jungsenioren in
Kleingruppen durch die Gegend, schlagen mit Stecken auf den Boden und
finden das unheimlich vital. Vorher brauchen sie selbstverständlich
eine kostenpflichtige Einführung durch akademisch ausgebildete
Trainer, denn wer kann heute schon gehen? Noch dazu mit Stöcken!
Wer
den Anblick der kleinen Horden albern findet, vergleiche sie mit jenen
seltsamen Gestalten, die seit Jahren mit riesigen Taschen, als wären
sie Mitglieder der Fremdenlegion, über Wiesen gehen. Im Gepäck haben
sie keine Gewehre, sondern ganz, ganz viele Stöcke. Die benutzen sie
allerdings nicht zum Gehen, das geschieht hier noch freihändig.
Diese Gattung bleibt vielmehr mitten in einer Wiese abrupt stehen,
wählt dann sorgfältig einen Stock aus und haut mit ihm wild in den
Rasen. Wenn sie Glück hat, trifft sie einen zufällig dort liegenden
Ball und ist glücklich, wenn der weit weg fliegt.
Bequemere
Individuen ziehen einen Anhänger mittlerer Größe hinter sich her
und wirken auf die Entfernung wie antike Bauern beim Pflügen.
Die modernen wieder lassen sich mit einem Auto durch die Wiese fahren.
Kulturanthropologen werden bereits wissen, dass diese Tätigkeit „Golfen“
genannt wird. Ursprünglich war das Spazierengehen im Kreis und mit
Gepäck eine ausschließlich dem Geldadel vorbehaltene Tätigkeit, die
unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt wurde. Leider
wurde Golfen immer mehr proletarisiert, so dass heute praktisch
kein westlicher Haushalt ohne Golfstecken existiert.
Der
VW-Konzern tat ein Übriges und nannte ein kleines Auto „Golf“.
Aus klassenkämpferischen Gründen folgte ein noch kleineres Auto, das
der offensichtlich kommunistisch unterwanderte Vorstand „Polo“
taufte. Seither sind Golf und Polo für jede geistige Elite eine
unmögliche Art der Fortbewegung, aber ein Konjunkturfaktor der
Freizeitindustrie. Keine Weide ohne Golfplatz, so lautet die Devise
der Tourismusverbände, was immer mehr Kühe und Tierschützer auf die
Palme bringt.
Was
aber macht die wahre Elite?
Sie
pflegt in der Arktis das Gletschergolfen, eine wahrhaft
avantgardistische Freizeitbeschäftigung. Die Regeln sind einfach: Wer
in eine Gletscherspalte fällt, scheidet aus. Sieger ist, wer als
erster einen Eisbären erlegt. Natürlich mit dem Ball!
In
diesem Sinne:
Auf
in den Norden!
Schöne Grüße aus Igls, Tirol
Ihr/euer Erich Ledersberger
Igls, 13. Oktober 2003
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