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Der Splitter
die wöchentliche Kolumne

 

 

Der Bundeskanzler im Gebet
Der Bundeskanzler betet für das digitale Fernsehen

 

 

Das totale TV

Eines meiner Lieblingszitate stammt von Nestroy, dem österreichischen Komödienschreiber des 19. Jahrhunderts:

„Der Fortschritt hat es so an sich, dass er größer aussieht als er ist.“

Beispiel gefällig?

Für das nächste Modejahr wird ein Anorak angekündigt, der mit Chips unterfüttert ist und außerdem Kopfhörer und Mikrofon in der Kapuze hat. Mit diesen Utensilien ausgerüstet, können die Besitzer beim Schifahren telefonieren und Musik hören.

Ist das nicht toll?

Damit nicht genug, kündigt die Industrie weitere Fortschritte an. Zum Beispiel auf dem Gebiet der TV-Produktion. Demnächst gibt es, wir konnten es kaum erwarten, das digitale Fernsehen!

Noch schärfere Bilder von Arabella Kiesbauers Dekolletee, noch buntere Farben bei Gemüsemischungen der englischen Küche. Das hat uns gerade noch gefehlt.

Und ein Ende des Fortschritts ist nicht in Sicht! Das Fernsehgerät der übernächsten Generation verspricht eine „bewegliche Kamerafunktion“ für Zuhause. Wir können dann endlich mit unserer Fernbedienung ins rechte Nasenloch von Jonny Depp hineinzoomen oder Claudia Schiffer von rückwärts betrachten. Dann ist auch Schluss mit Sprecherinnen und Sprechern, die in Unterhosen hinter ihrem Tisch sitzen, weil die Kameraleute nur ihre Oberkörper filmen. Wir selbständigen Konsumenten können endlich unter den Tisch sehen, die Knie von Daniela Spera bewundern und nachsehen, ob sie unter ihrem Rock ein Höschen trägt. Fans von Tarek Leitner und Gerald Gross bewundern die schönen Augen ihrer Lieblinge im Großformat, ergötzen sich an den eleganten Ohrläppchen und sind, kein Wunder, außer Rand und Band.

Stufe drei des totalen Fernsehens ist die dreidimensionale Darstellung aller Produktionen und in Stufe vier können wir mit den Fernsehmenschen persönlich Kontakt aufnehmen, alle Darsteller sind für alle Zuseher geklont, damit ein persönliches Gespräch mit Bruce Willis jederzeit möglich wird.

Schöne neue Welt!

Ach ja, das Programm gegen die Hungersnot klappt leider nicht so toll wie geplant. Weltweit hungern derzeit etwa 800 Millionen Menschen. Jährlich verhungern etwa 6 Millionen Kinder. In den Entwicklungsländern starben 2001 etwa 58 Millionen Menschen durch „wirtschaftliche Unterentwicklung und extreme Armut“. (Jean Ziegler, Die neuen Herrscher der Welt) Wenn sie zufällig nicht sterben, sondern vereinzelt in die reichen Staaten flüchten können, schicken wir sie als „Wirtschaftsflüchtlinge“ in ihre „Heimat“ zurück.

Aber das hat mit unseren neuen Fernsehgeräten fast gar nichts zu tun.

Meint Ihr/euer
Erich Ledersberger
Igls, 1. März 2004

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