Da schau, ein ganzes
Restaurant für uns! Und wie freundlich die Kellner sind. Seit wir an
der Regierung sind, mag man uns endlich. - Bleibt ihnen auch nichts
übrig.
Bin ein bisserl spät dran, alle sitzen schon. - Wo ist denn
mein Platz? Ah, da. - Freundschaft, Genosse. - Keine Frauen, die was
gleich schauen . Dass der Sozialismus so unattraktiv ist. Im Ostblock
sind’s wenigstens noch feurig, die Frauen, aber bei uns. Kaum sind’s
Funktionäre, schon sind sie verhärmt wie eine Hausfrau.
Ah, ein
Büffet ... Ich weiß nicht mehr weiter, aber aufs Essen freu ich
mich. Komische Welt. - Oje, der Sektionschef steht auf. Der lässt keine
Gelegenheit ungenützt, um eine Rede zu halten. Warum nickt er mir denn
zu? Der wird doch nicht . . . nein, morgen, hat der Wachtlmüller
gesagt, morgen will er Anzeige erstatten. Oder hat er gar schon
telefoniert? Denn tät der Sektionschef nicht so freundlich schauen. -
Jawohl, sehr schön. Guter Zweck ... Afrika, wollen auch was zu essen.
Freilich. Ich würd auch gern essen, aber die Rede .... saubere
Verwaltung! Wie kommt er denn darauf? Ein Vorbild, na, dass ich nicht
lach! Ausgerechnet der Sektionschef! Wohnt in einer Villa, die er sich
nicht leisten kann und sagt, sie gehört seinem Onkel. - Wenn ich für
den U-Bahn-Bau zuständig wär , würde ich mir auch einen Onkel zulegen
mit einer Villa. Der scheffelt Geld und unsereins muss wegen ...
Applaus fürs Parteiprogramm, jawohl, immer auf der Überholspur. -
Schön hat er das gesagt: für eine demokratische Gesellschaft, in der
die Mehrheit sich keiner chaotischen Minderheit beugt ... Wir werden
immer die Mehrheit bleiben.
Das heißt, ich nicht. Ich bin ja schon
tot, praktisch. Politisch auf jeden Fall und menschlich ... wenn der
Sektionschef wüsste, dass einer seiner treuesten Beamten vor seinen
Augen ... Aber er könnte auch nichts machen. Soll er sich etwa vor
mich hinstellen und sagen: unsere Demokratie braucht das, den helfenden
Arm der Wirtschaft, damit sie weiter bestehen kann im internationalen
Wettkampf? Die Leute haben keine Ahnung, die glauben das nie.
Wenn ich
nur was wüsst über ihn! Dann würde er mir helfen, aber ich bin nur
ein kleiner Beamter. Und geschickt ist er, das muss man ihm lassen.
Ich werde alles
bestreiten! Der Wachtlmüller hat meine Schrift gefälscht. - Geht
nicht. Er hat ja das Original, und diese Schriftgutachter sind über
jeden Verdacht erhaben. - Auswandern, das wäre eine Möglichkeit. Aber
wohin? Wohin? In Deutschland finden die mich gleich, und wo braucht man
sonst noch einen Beamten? - Jetzt könnt er aber schon aufhören mit
seiner Rede. In aller Kürze zusammenfassen, na, das dauert noch lange.
- Außerdem habe ich kein Geld. Und im Ausland muss man sich
durchsetzen. Dabei bin ich eigentlich ein sensibler Mensch, ich habe
mich nie richtig durchsetzen können, schon in der Schule nicht. - Die
Mama hat immer gemeint, das sei nicht so schlimm ... ein Glück, dass
sie tot ist. Die Schande würde sie nicht überleben. - Die arme Klara.
Was wird die in Zukunft machen ohne mich? Nichts ist’s mehr mit den
Treffen im Hotel Bauer, jeden Montag in der Mittagspause. - Ach was, die
wird sich einen anderen finden. Eine Woche wird’s warten, weil sie ein
bisserl katholisch ist und dann ... ist immer dasselbe mit den
Weibern: die wollen gar nicht wissen, was du für ein Mensch ist.
Hauptsache, du hast Geld. Jetzt, wo ich endlich eins hab, passiert mir
das.
Es hilft nix
mehr, es ist aus mit dir. Morgen schickt der Wachtlmüller auf dem
Dienstweg eine Anzeige ab. Sei realistisch, Gustl, bring dich um. -
Jetzt ess ich noch gut und danach wird ich mit dem Auto nach Hause
fahren. Nach Hause. Vielleicht gibt es doch einen Gott? - Blödsinn.
Dann wären die Würmer die Engel, und ich komm als Humus im Himmel an.
Aus ist es dann! Aus! Mein Gott, ist das schrecklich. - Und ich hab
keinen Ausweg mehr. Keinen. Am liebsten läg ich da auf dem Teppichboden
und tät heulen ... Ah nein, das darf man nicht tun. Aber weinen tut
manchmal so gut ... Die Leut, die eine Religion haben, sind doch
besser dran ... Ich wird die Südautobahn nehmen, damit es wie ein
Unfall aussieht. ... Na, jetzt fangen mir gar die Hände zu zittern
an! ... Ich muss mich zusammennehmen. Das letzte Abendmahl, die
Henkersmahlzeit. - Endlich ist der fertig. - Genau: hoch lebe die
internationale Solidarität.
Ah, der Wein ist
sehr süffig. - Burgenländer. - Prost! - Warum schaut er mich schon
wieder so an, der Genosse Sektionschef? Lächeln, ich muss lächeln. -
Keiner merkt mir was an. - Morgen werden sie mich bedauern, und der
Wachtlmüller wird sich ärgern, weil er sich seine Anzeige in die Haar
wischen kann. - Über die Toten nichts Böses. Das wenigstens gilt auch
heute noch. - Und Geld stinkt nicht ... So schön hat es immer
funktioniert: Ich habe die Baubesichtigung gemacht, habe meine
Aktentasche geöffnet an der Theke stehen gelassen, und nachher war ein
Kuvert drin. - Die Preise waren allgemein bekannt, niemand wurde
bevorzugt, alles funktionierte tadellos. Und dann kommt der daher ...
gegen so was schützt einen nicht einmal die Gewerkschaft.
Ja, ein
wunderbares Fleisch, dieser Lachs. - Leider das Einzige, das die
Schweden kochen können.
Eigentlich mag
ich diese Büffets nicht. - Man weiß nie, mit welcher Hand man den
Teller halten soll, wo das Weinglas ...
Oje, die Frau
Staatssekretärin. Die will sicher wissen, warum ich keine Frau
eingestellt habe - wenn ich das mit dem Wachtlmüller geahnt hätte,
wär mir eine Frau eh lieber gewesen. - Weggehen kann ich nicht mehr.
Eine Staatssekretärin für Frauenfragen, die hat mir gerade noch
gefehlt in meinem Schlamassel. Jetzt muss ich diesen, diesen dummen
Buben noch verteidigen.
No, Frau
Genossin, Sie wollen sicher von mir wissen, warum ich nicht Ihre
Bewerberin genommen hab, net wahr?
Schön habe ich
das gesagt, das Frau Genossin. Frau Staatssekretärin kommt mir nicht
über die Lippen, wo die nichts zu tun hat gegenüber dem Arbeitstag von
unsereinem. Wollten Sie nicht? - Ich werde schon die richtige Wahl
getroffen haben? Aber sicher, wir haben ja unsere objektiven
Vorschriften, an die halten wir uns.
Warum lächelt
sie so komisch? Weiß sie am Ende schon ... So freundlich war die nie
zu mir. Da steckt was dahinter. - Wozu überleg ich denn? Es ist alles
längst vorbei. In ein paar Stunden bin ich eine tote Leich. - Und der
Wein schmeckt so gut!
Danke, Herr
Genosse Sektionschef. Ausgezeichnet geht’s mir. Ganz ausgezeichnet.
Der lächelt auch so merkwürdig. Haben sich alle gegen mich
verschworen?
Was sagt er,
eine dumme Sache ist das? Was denn ... was? Das mit dem Wachtlmüller?
... Jetzt wird er auf einmal so ernst ... Warum legt er denn seinen
Arm auf meinen? ... Das sieht ja aus wie eine - Verurteilung ... Er
wird mich doch nicht hier, vor allen Leuten ... Er hat doch gesagt,
dass er erst morgen.
Welche Sache,
Herr Sektionschef? ... Jetzt ist es aus.
„Wissen Sie
noch gar nicht, dass unser Wachtmüller ...“
Er weiß es! Er
weiß es. Alles ist aus, noch bevor ich mich umbring.
„... einen
Verkehrsunfall hatte?“
„Was?“ -
Leise, ich darf nicht so schreien. - Träum ich? - Dann habe ich ja noch
Zeit, bis ... oder ist er gar? ... So viel Glück darf ich nicht
erwarten. - Ich muss fragen, aber vorsichtig.
„Ist er ...
verletzt?“
Meine Stimme!
Wieso krächzt sie denn so?
„Er ist
tödlich verunglückt.“
Tot? Das ist ja
nicht wahr . . . - Um Himmels willen, ich darf mich nicht verraten ...
ich möchte ja schreien ... ich möchte ja lachen ... gleich morgen
muss ich seinen Schreibtisch durchsuchen ... wenn er ihn zu Hause hat?
„Wie konnte
denn das passieren?“
Das hab ich
famos gesagt - kein Mensch merkt mir was an. - Der Wachtlmüller lebt ja
allein. Wer soll mit dem Zettel was anfangen können? Eine einfache
Notiz, die wirft man weg. - Ich glaub, so froh bin ich in meinem ganzen
Leben nicht gewesen ... Tot ist er! Tot! Keiner weiß was, und nichts
ist g’schehn. Und das Mordsglück, dass ich noch hierher gegangen bin
... ich hätt mich glatt umsonst umgebracht.
„Er ist mit
dem Fahrrad unterwegs gewesen, ohne Licht. Im Nebel hat ihn ein
Autofahrer übersehen und dann ...“
Und ich habe
immer den Kopf geschüttelt über seine Ansichten von Umweltschutz, und
jetzt ... Eine Fügung des Schicksals. - Der Wein schmeckt gleich noch
besser.
„Er war noch
so jung. Und so engagiert und ehrlich.“
Deshalb hat die
Staatssekretärin so geheimnisvoll gelächelt.
Die glaubt, die
bringt diesmal eine Frau bei mir unter. Na warte, meine Liebe. Du wirst
dich wundern. Diesmal pass ich besser auf, und eine Frau kommt mir nicht
ins Büro.
„Noch einen
Wein!“
Fesch schaut die
Kellnerin aus. Da könnt noch was drin sein, heute Abend. Und ich bin
grad so gut aufgelegt ...