Das Attentat, Satz 24 – 35

Mutter Weniger hielt das anfangs für einen avantgardistischen Charakterzug des Kleinen und stimmte sich innerlich bereits auf eine glanzvolle Pianistenkarriere ein. Leider machten ihr weder der Klavierlehrer noch später hinzugezogene Künstler aus dem Konservatorium Mut. Noch heute hat Mutter Weniger die Aussage eines Gastreferenten, der keine Angst um entgangenes Honorar hatte, in den Ohren:

„Der Junge hat ein Gehör wie ein Maulwurf und seine Finger sind beweglich wie die eines Krokodils. Und wenn Sie im Ernst glauben, dass er ein berühmter Klavierspieler wird, sollten Sie einen Psychologen konsultieren.“

Glücklicherweise war ihr Mann nicht anwesend, so konnte sie den Provokateur mit einer adeligen Bewegung des Hauses verweisen, um danach in herzzerreißendes Weinen zu verfallen. Selbst ihr Sohn konnte sie nicht trösten, so heuchlerisch er es auch versuchte. Immerhin wurde ein Teil des Förderprogramms daraufhin gestrichen. Vater Weniger war ohnehin kein Anhänger der musikalischen Bildung, die seiner Meinung nach die Vernunft so lange mit Notennebel umhüllt, bis sie in Ohnmacht fällt.

„Wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“
So hatte seine Frau einmal ihr Engagement begründet, worauf er entgegnete, dass seines Wissens niemals so viel gesungen worden sei wie unter den Nazis. Diesem Argument konnte sie nicht widersprechen.

 

 

Zitat aus:
Ich bin so viele

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