Das Attentat, Satz 65 – 72

Er brach sein Theologiestudium ab und begann ein Lehramtsstudium. Welches, war ihm gleichgültig, aber Germanistik erschien ihm zumindest einigermaßen interessant. Vielleicht war das die perfideste Rache an seinen Eltern: Er beschloss, ein Kleinbürger zu werden und nahm die Stelle eines Lehrers an.

Als solcher war er in der Schule nach kurzer Zeit beliebt, zumindest bei den Schülern. Sie schätzten seine Notenskala, die von „Sehr gut“ bis „Gut“ reichte — und sein umfassendes Wissen. Jugendliche haben dafür ein sehr feines Gespür. Und Hartmut wusste nicht nur viel, er wurde im Laufe der Jahre sogar klug, auch wenn er an dieser Eigenschaft langsam verzweifelte.

Je älter er wurde, desto mehr ekelte ihn die Welt an: das Schultor, an dem er den besoffenen Schulwart traf; die Konferenzen, in denen Probleme diskutiert wurden, die außerhalb der Schule nicht existierten; die Klassenbücher, in denen Fehlstunden eingetragen werden mussten, die niemanden interessierten; die Notengebung, diese Verurteilung von Menschen, die sich nicht wehren konnten.


Zitat aus:
Ich bin so viele

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