Des Österreichers Lust an der Niederlage manifestiert sich in den politischen Parteien. Kaum sind die EU-Wahlen geschlagen, haben alle Verlierer gesiegt. Die ÖVP freut sich darüber, dass der matte Gegner noch mehr Stimmen verloren hat. Und schweigt sich über die seltsame Kandidatenwahl aus. Bundes-Pröll Josef ist bekanntlich Vizekanzler, sein Onkel Erwin bloß „Landesvater“ von Niederösterreich. Der Bundes-Pröll ernannte jedenfalls einen gewissen Herrn Strasser zum Anführer der EU-Wahl. Der zweite Mann Karas bekam allerdings so viele Vorzugsstimmen, dass er den Herrn Strasser mühelos überholte.
Die Wählerinnen und Wähler sind anscheinend nicht einverstanden mit der Auswahl des Herrn Josef. Aber darüber wird geschwiegen, das gebietet die Tradition Kakaniens. Beziehungsweise Österreichs.
Die SPÖ wieder rottet sich zusammen, nennt das Solidarität und findet, dass das Ergebnis der Wahl nichts mit ihrer Politik in Österreich zu tun habe, es ging schließlich bloß um Europa. Zwischenrufe aus den roten Bundesländern – die bald wieder schwarz werden – zum Thema Vermögenssteuer werden ignoriert. Der Vorarlberger Abgeordnete, der gar einen Rücktritt des SPÖ-Obmanns forderte, wird sicherlich demnächst exkommuniziert. Will sagen: mundtot gemacht.
Die Grünen hoffen noch auf ein zweites Mandat durch die Wahlkarten, damit Voggenhuber nur halb Recht bekommt.
Voggenhuber wollte unbedingt als Nummer Eins kandidieren, weil die Grünen dann drei Mandate bekämen. Sagte Herr Voggenhuber, aber die grüne Basis war nicht seiner Meinung. Daraufhin schmollte er und fand Basisdemokratie nicht so doll. Später überlegte er sich alles und wollte auch als Nummer Zwei kandidieren. Das wieder wollte der grüne Vorstand nicht akzeptieren, worauf Voggenhuber meinte, die Grünen seien nicht zu wählen.
Nichts ist schwerer zu ertragen als ein gekränkter Mann!
Wer das alles für kindisch hält, dem muss ich sagen: So ist es.
Die FPÖ hat ihren Stimmenanteil verdoppelt und ist weit von ihrem Wahlziel entfernt. Darüber mag sie nicht sprechen, weil wichtig ist nur der Endsieg. Und den haben die christlichen Hüter des Abendlandes vor Augen, auch wenn sie irgendwann mal mit der Kirche nichts am Hut hatten.
Schnee von gestern, wer spricht schon gerne von Niederlagen. Da sind sich alle alten Parteien einig wie eineiige Zwillinge.
Eindeutiger Sieger ist die Kronenzeitung. Zumindest im EU-Wahlkampf hat sie ihren Kandidaten Martin auf den 3. Platz gehievt. Der ist ein echter Vorarlberger – in Tirol nennt man sie einfach Gsiberger – und kann sich über seinen Erfolg nicht richtig freuen, weil das zu sinnlich wäre.
Und so gesehen ist das Ergebnis der EU-Wahl ein Synonym für Kakanien/Österreich: Die Verlierer haben in ihren Augen gesiegt und der Sieger weiß nicht, wie ihm geschieht.
Hauptsache, es bleibt alles, wie es ist:
ein Jammer.
Nachtrag im Jahr 2012:
Herr Strasser steht mittlerweile im Verdacht, er hätte als EU-Abgeordneter Geld für Lobbyarbeit genommen. Dummerweise bot ihm das eine englische Tageszeitung an.
Herr Martin kämpft weiter, vor allem gegen den Verdacht, Spesen falsch abgerechnet zu haben.
In guter österreichischer Tradition gilt für alle die Unschuldsvermutung!