Archiv des Autors: Erich Ledersberger

Digitalisierung ist super!

Super, die Digitalisierung!

Super, die Digitalisierung!

Schweden möchte weniger digitale Medien im Unterricht verwenden und mehr Bücher!

Diese Nordländer. Keine Ahnung von Bildung und Bürokratie, aber immer alles besser wissen.

Dabei wissen bekanntlich wir alles besser. Digitalisierung ist super! Alles wird gut!

 

Aus der Praxis

Denken wir an früher so komplizierte Dinge wie Kurzparkzonen. Wer sein oder ihr Auto dort einst abstellen wollte, musste in Wien mühsam einen Zettel ausfüllen und ihn hinter der Windschutzscheibe gut sichtbar anbringen.

Dagegen heute! Schnell eine App aus dem Internet runtergeladen und etliche Datenschutzbestimmungen angekreuzt, zum Lesen ist keine Zeit, wird schon passen. Schon muss ich mich nur noch anmelden.
Ah, ich soll zuerst eine Zahl eingeben, die mir per Mail geschickt wird. Dauert nur wenige Minuten oder bis zu einer halben Stunde, wenn das Internet gerade Mittagspause macht. Schnell den Account öffnen, tatsächlich, Mail ist schon nach 15 Minuten angekommen und das Passwort, also die mitgeschickte Zahl, eingeben. Die lautet…
Moment. Wie lautet die? Fünf Buchstaben vermischt mit Zahlen lautet sie. Das Kurzzeitgedächtnis ist ein Hund, vor allem in meinem Alter nach Absolvierung einer Chemo. Ich tippe eine Zahl ein.

Falsches Passwort. Okay.
Also nochmals.
Höchste Konzentration jetzt. Das neue Passwort kommt ganz schnell. Leider findet mein Handy die Antwort wieder falsch. Ach so, ich habe das Passwort des alten Mails eingegeben. Kein Problem, ich fordere ein neues Passwort an. Dieses Mal notiere ich es und tatsächlich: Es ist geschafft. Ich bin drin, wie vor wenigen Jahrzehnten Boris Becker sagte, als er seinen Internet-Anschluss bekam.

Jetzt nur noch Name, Adresse, Telefonnummer, Mailadresse und Ort, an dem ich in Zukunft kurzparken möchte, eingeben und schon bin ich Besitzer meiner Handy-App. Hm. Falls ich in Wien parken möchte, soll ich ein Guthaben erwerben. Das geht schon wieder ganz einfach, ich muss bloß meine Kreditkarte eingeben. Wenig später bekomme ich ein Mail, in dem ich bestätigen soll, dass ich Inhaber der Kreditkarte bin. Ich schwöre bei Gott und allen Heiligen, dass dem so ist. Das hilft.

Diese Woche möchte ich allerdings in Innsbruck parken. Ebenfalls kein Problem, ich muss nur in den persönlichen Eigenschaften den Ort ändern. Das gelingt mir, schließlich bin ich ein kundiger Benützer der neuen digitalen Geschenke der Industrie. Allerdings steht der neue Ort noch nicht auf meinem Handy. Ich mache mir also ein Abendbrot und nach einem Neustart passt alles.

Dummerweise kann ich in Innsbruck kein Guthaben eröffnen, sondern der Betrag wird mir von meiner Handyrechnung abgebucht. Nicht nur der, dazu kommt eine Servicegebühr – den Namen kenne ich von meiner Handyrechnung – von etwa 20 Prozent.

Parken per Handy ist in Innsbruck nicht nur einfach, sondern auch teurer als mit einem Zettel.

Ich werde noch darauf hingewiesen, dass ich beim digitalen Parken in Innsbruck unbedingt einen analogen Zettel in mein Auto legen muss, der darauf hinweist, dass ich ein Handy fürs Parken verwende. Andernfalls gelte meine Bezahlung nicht. Damit die Sache nicht zu einfach wird, gibt es hierorts andere Anbieter, die wiederum andere Zettel verlangen.

Was passiert, wenn ich in anderen Städten der Republik unterwegs bin, weiß ich nicht, ich habe bereits jetzt eine Stunde für die Vereinfachung durch Digitalisierung aufgebracht.

Aber das ist nicht alles, auch die Bildung wird durch Digitalisierung immer einfacher und besser. Sogar lesen und schreiben sollen unsere Kinder dadurch können, vor allem dank Microsoft und Apple.

Bildung digital?

Ich war eine Zeitlang Mitglied einer Arbeitsgruppe, die sich mit neuen österreichischen Lehrplänen befasste und auch damit, wie toll digitale Medien dafür geeignet seien. Es ging, was in Österreich häufig der Fall ist, um einen Ausblick in eine Zukunft, die wenig bis nichts mit der Realität zu tun hatte.

Als Einstieg meldete ich mich für eine Veranstaltung zum Thema digitale Medien in Graz an. Ein engagierter Sektionsrat referierte begeistert über die blendenden Aussichten für die Schulen durch die „neuen“, also digitalen Medien. Als der Sektionschef den Raum verdunkeln wollte, bemerkte er, dass die Jalousien sich nicht bewegten. Außerdem wurde es immer kühler, es war Winter und die Kosten für eine angenehme Raumtemperatur nicht finanzierbar. Da wurde sogar der engagierte Sektionschef nachdenklich und meinte:
„Vielleicht hätten wir doch mehr in funktionierende Räume statt in funktionierende EDV investieren sollen.“ Wobei der Hinweis von „funktionierender EDV“ ein Euphemismus war.

In der Arbeitsgruppe für die neuen Lehrpläne ging es auch darum, wer in Zukunft Schülerinnen und Schüler im Bereich EDV unterrichten sollte. Technokraten, die vor allem Programmieren unterrichten würden oder Lehrpersonen (so lautet die unverfängliche und geschlechtsneutrale Bezeichnung neuerdings), die noch irgendwie einen oder gar mehrere Gedanken an den Sinn von Bildung verschwendeten. Die Gruppe der Neutralen, denen alles wurscht ist, war nicht eingeladen, zumindest das ein Glück für das gruppendynamische Miteinander.

Der Kampf Technikgläubige gegen Anhänger der Pädagogik ging in die erste Runde. Ich war als Verfechter pädagogischer Inhalte einberufen worden und hatte einen gewichtigen Gegenspieler. Rudi – der echte Name ist der Redaktion bekannt – war ein Mann des Konzerns Microsoft. Mit allen Mitteln versuchte er, dessen Programme einigermaßen unauffällig in die Schulen zu implementieren. Er sprach von grandiosen und vielfältigen Vorzügen für die Bildung durch Digitalisierung. Man müsste sich bloß in die wohlmeinenden Hände des Konzerns begeben und schon würde Österreich durch Bildung erblühen.

Jeder Schülerin und jedem Schüler ein Microsoft-Tablet und schon wäre alles paletti.

Wir saßen uns also freundlich lächelnd gegenüber, jeder wusste vom anderen, was er wollte. Ich wollte, dass Schluss ist mit diesem Glauben an die Technik, er wollte, dass seine Microsoft-Aktien weiter steigen.

Übrigens oder BTW: Ich verwendete und verwende Computer gerne. Das Internet gibt mir Möglichkeiten zur Recherche, die ich niemals zuvor hatte. Ich erstellte Lern-Videos für den Unterricht, damit die Schülerinnen alleine arbeiten und mich fragen konnten, wenn etwas unklar war. Und das war oft der Fall. Ich hatte mich nicht überflüssig gemacht, wie manche Kollegen befürchteten. Zwischendurch kam ich mir merkwürdig unnütz vor. Die Schüler arbeiteten so intensiv, dass ich staunte. Manche waren schnell, manche langsam, dann half die Nachbarin oder, wenn gar nichts mehr ging, eben ich. Es war ein toller Unterricht.
Die EDV ist tatsächlich in manchen Bereichen ein unglaublicher Gewinn für Erkenntnis.

Sie ist, auf der anderen Seite, eine entsetzliche Niederlage für die Vernunft.

Das Internet wird bekanntlich nicht für Erkenntnisgewinn und humanistische Ideale verwendet, sondern vor allem für den Besuch von Pornoseiten und unsozialen Medien. Die vernichten die Aufklärung und bringen uns zurück in jene Zeiten, als der Mensch des Menschen Wolfs war.

So gesehen sind digitale Medien kein Fortschritt, sondern Rückfall in längst vergangene Zeiten. Kinder werden, so die Befürchtung, zu „postmodernen Einzellern“.

Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik, weist in der NZZ  auf weitere Irrtümer hin, etwa dass der Lernerfolg durch Tablets und Co gesteigert wird.
„Leider ist das Gegenteil der Fall: Seit über zehn Jahren gehen gerade in Deutschland die Lernleistungen zurück, die Quoten derjenigen steigen, die nicht einmal die Mindeststandards beim Lesen, Rechnen und Schreiben erreichen, soziale Auffälligkeiten nehmen zu und auch psychosomatische Erkrankungen wie Essstörungen und Online-Spielsucht. Und dennoch geht die Bildungspolitik den Weg, der in diese Bildungskrise geführt hat.“

Auch die Idee der Nachhaltigkeit wird vom Einsatz der Neuen Medien gründlich konterkariert. Das Internet verbraucht andauernd Energie in unglaublichen Mengen. Bereits 2014 waren es 4,6 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs, das Internet belegte damals den sechsten Platz hinter Staaten wie China und USA. Man kann davon ausgehen, dass der Energieverbrauch seither nicht geringer geworden ist. Tablets, Whiteboards, Beamer und Laptops tragen das Ihre zum Klimawandel bei.

Auch die individuellen Krankheiten sind nicht zu verachten: „Zwar verstehen sich Kinder heute auf digitale Medien, aber nicht mehr auf ihren Körper.“

Die Liste an Störungen lässt sich erweitern, ich möchte stattdessen von einem klugen Menschen schreiben, der als EDV-Experte knapp am Nobelpreis vorbeischrammte, Joseph Weizenbaum. Er wäre 2023 hundert Jahre alt geworden und der Umgang mit Computern brachte ihn schon Mitte der 1960er Jahre zur Verzweiflung. Damals erfand er am MIT etwas, das heute als erster Chatbot gehandelt wird: Menschen geben etwas ein, die Maschine antwortet ihnen.

Eliza war ein Programm, in dem Fragen eingegeben wurden und ein digitaler Psychotherapeut antwortete. Meistens wiederholte er die Frage in einer etwas anderen Form, wenn er ratlos war, fragte er: Können Sie mir mehr darüber erzählen? Es war eine Parodie auf einen Dialog zwischen Psychiater und Klient.

Weizenbaum fasste das Programm als intellektuelle Spielerei auf, aber die Psychotherapeuten waren begeistert. Sie wollten es für ihre Praxis nutzen. Weizenbaums Verzweiflung darüber war so groß, dass er ein ganzes Jahr mit einem Wohnmobil durch die USA fuhr, um sich vom Schock über den Geisteszustand studierter Psychologen zu erholen.
Und heute sprechen erwachsene Menschen von künstlicher INTELLIGENZ! Wahrscheinlich müsste Weizenbaum angesichts dieses Ausdrucks ein Jahrzehnt mit dem Wohnmobil um die Welt fahren und danach ein Segelboot besteigen.

Für die Pädagogik hatte er einfache Ratschläge, etwa diesen: Es fördert nicht das Verständnis, wenn Jugendliche Programme ausführen. Viel sinnvoller ist es, wenn sie einen Computer zusammenbauen. Sie lernen dabei, wie ein Computer funktioniert, nämlich nach genau nachzuvollziehenden Befehlen von Menschen. Der Besucher einer Website, der raffinierte Fragen stellte, konnte die dortige KI eines Lieferservices immerhin dazu bringen, dass sie endlich die Wahrheit sagte, nämlich dass dieser Lieferservice der schlechteste der Welt ist.

Dass Maschinen intelligent sind oder gar kreativ, diesem Unsinn konnte Weizenbaum nichts abgewinnen. Kurz vor seinem Tod meinte er:
„Es ist eine Katastrophe, dass die meisten meiner Kollegen glauben, wir könnten einen künstlichen Menschen herstellen. Und dieser unglaubliche Blödsinn hat auch mit Größenwahn zu tun. Es kann sein, hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, dass ich gesagt hätte: Ach in dieser Branche möchte ich gar nicht sein.“

Das wäre schade gewesen. Immerhin wiesen er und weisen andere darauf hin, dass der Glaube, Computer, Tablets und Co förderten das Lernen, ein Irrglaube ist.

Ich Wirtschaftsschädling

Liebe Freundys, ich begrüße euch im Neuen Jahr 2024! Ich hoffe, ihr habt viele gute Vorsätze, die spätestens nächste Woche gecancelt worden sein werden. Das gehört zum neuen Jahr wie die Pusteln zu Blattern.
Ich hingegen habe keine Vorsätze, sondern überlege derzeit, ob ich weiter als Gesellschaftsschädling agieren oder ein braver Bürger werden soll.

 

 

Mehr und härter arbeiten

Die Chefredakteurin des Kuriers, Martina Salomon, fordert für das ‚Land der Ferien‘ – damit meint sie Österreich – ein Ende der Gemütlichkeit, damit ‚unser aller Wohlstand erhalten bleibt‘.

Okay, Österreich hat zwar weniger Ferientage als der europäische Durchschnitt, aber mit so banalen Nachrichten aus der Wirklichkeit hat der Kurier, im Eigentum der Raiffeisenbank und (noch) Benko,  bekanntlich nichts zu tun.

Irgendwie müssen die Milliardenpleiten von ­­Benko und Co. durch uns alle ausgeglichen werden, da stimme ich der gnädigen Frau Chefredakteurin gerne zu. Und mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 41,8 Stunden liegen wir noch immer hinter Spitzenreiter Griechenland, wo immerhin 42,8 Stunden gebuckelt wird.

Das muss sich ändern, sagt der Kurier, wir müssen die Nummer Eins werden. Auf zur guten, alten 45-Stunden-Woche! Es kann nicht sein, dass wir, wie die Finnen, bloß 38,7 Stunden arbeiten. Man sieht ja, was dabei rauskommt: Die Finnen sind die glücklichsten Menschen der Welt, die Wirtschaft ist widerstandsfähig und die Jugendlichen sind laut PISA auch noch gescheiter als unsere.

Die Erben von Red Bull Mateschitz und anderen – jährlich werden in Österreich 15 Milliarden Euro steuerfrei vererbt – können wir jedenfalls nicht noch mehr belasten, die haben viel geleistet, man denke nur zum Beispiel an Frau Glock.

So sehr ich den Ansatz von „Mehr und heftiger arbeiten“ unterstütze: Wie soll ich diese nationale Aufgabe als Pensionist erledigen? Noch eine Kolumne, noch ein Buch mehr? Ich fürchte, das wird niemandem wirtschaftlich nützen.

Aber vielleicht hilft ja die Absage an meine Tätigkeit als Wirtschaftsschädling?

Es ist nämlich so, dass wir innerhalb unserer Familie seit Jahren zu Weihnachten keine Geschenke kaufen und auch keinen Urlaub machen. Eine Katastrophe für die heimische Wirtschaft!

2023 hatten wir als Staat ein Minus von 0,8 bis 0,4 Prozent, je nach Institutionsinterpretation. Und in den nächsten Jahren wird es nicht viel besser werden. Wer da nicht wie blöd unsinnige Dinge kauft und viele Nächte in – natürlich heimischen – Hotels, zubringt, outet sich als Wirtschaftsschädling.

Ein solcher war ich.

 

Wir denkenden Wirtschaftsnützlinge

Konsum ist für mich also die einzige Alternative für unser Wirtschafswachstum. Allerdings bedarf es eines großen Wissens, das RICHTIGE zu konsumieren. Keinesfalls Waren aus China, ebenso wenig solche aus Bangladesh oder Indien.

ALLES muss regional, biologisch und nachhaltig sein. (Abgesehen von heimischen Lebensmitteln wie Wein, die sollten in möglichst kurzer Zeit verdaut und ausgeschieden und danach wieder neue Flaschen gekauft werden.)

Bei kurz- und langlebigen Waren wird es leider schwierig.

Handys dürfen generell nicht mehr gekauft werden, weil sie zur Gänze ausländischer Herkunft sind.
Das Gleiche gilt für E-Fahrzeuge, bei Verbrennern gibt es immerhin noch einige Teile, die in Österreich erzeugt werden, dort sollte ich zugreifen.

Bei Möbeln ist es einfach: Wir müssen als Käufer nur auf das Gütezeichen Möbel Austria schauen , schon können und sollen wir zugreifen, was das Zeug hält. Also wenn unser Börsel das hergibt. Möbel von Team 7 gehen ins Geld, ein Tisch kann dort schon mal 7.000 Euro kosten. Dafür können Kinder und Enkelkinder noch immer von ihm essen.

Nicht zu empfehlen ist die berühmte Website kaufhaus.at – dort finden wir bewussten Konsumenten (und –innen) nämlich alles Mögliche, das nicht aus Österreich stammt. Wenn wir überhaupt etwas finden, denn diese mit einer staatlichen Subvention von einer schlappen Million Euro geförderte Website gab es eine Zeitlang nicht mehr, heute findet man unter dieser Adresse ein Wirrwarr an Verweisen auf andere Websites.

Wir bewussten österreichtreuen Konsumenten lassen uns von solchen Kleinigkeiten nicht beirren und kaufen weiter, was das österreichische Zeug hält. Wir bewohnen kleine Schrebergartenhäuschen, aus österreichischen Bäumen errichtet, verständigen uns mit Trommeln mit österreichischen Rinder- und Lammhäuten und arbeiten in Manufakturen, die das österreichische Volk mit neuen Produkten beglücken, etwa dem ewigen Schuh aus dem Waldviertel. Erdäpfel wachsen auf unseren österreichischen Feldern, damit lassen sich köstliche Speisen zubereiten. Außerdem gibt es österreichische Bäume zu verheizen, im Burgenland gedeihen österreichische Olivenbäume, die österreichisches Olivenöl produzieren. Kurz: Unsere heimische Wirtschaft wächst derart, dass wir demnächst eine neue analoge Währung der Welt vorstellen: den österreichischen baren Festungsschilling! Er wird eine internationale Konkurrenz zu Dollar und Renminbi (chinesische Währung) werden.

Das ist, notabene, möglicherweise die letzte digitale Kolumne auf Kakanien, denn das Internet ist nicht nur ein Werk des ausländischen Teufels, es verbraucht auch jede Menge ausländischer Energie.

Glückauf
alles Gute euch allen
euer Erich (Ledersberger)
aus der Festung Österreich!

PS: Wann genau wurde Alfred Gusenbauer von der SPÖ ausgeschlossen? Auf FB habe ich bisher keine Antwort auf diese Frage erhalten. Weiß jemand von euch mehr?

Früher war alles besser!

Früher war alles besser

Früher war alles besser

Naja, alles ist vielleicht ein bisserl übertrieben. Aber das meiste schon. Oder?

Damals, als die Ehemänner noch bestimmten, ob ihre Frauen arbeiten durften. Mann die eigenen Kinder nach Herzenslust verprügeln konnte. Abtreibung verboten war und wir im Zug noch nach Herzenslust rauchten.

 

 

In den besseren Zeiten

Ich wuchs in diesen besseren Zeiten auf, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, in der Zeit des Aufbaus. Mein Vater arbeitete bei der ÖBB, den Österreichischen Bundesbahnen. Er hatte nach dem Krieg die Abendmatura an der HTL gemacht und war aus ganzem Herzen Sozialdemokrat und Arbeiter. Techniker auch, aber der Titel ‚Arbeiter‘ war ihm lieber. Mit Hilfe der Demokratie zum Sozialismus. Die Mehrheit würde einsehen, dass Gemeinwohl wichtiger war als Egoismus. Er war zeit seines Lebens Optimist.

Sein Bruder war bereits vor dem 2. Weltkrieg realistischer als er gewesen und trat in den 1930er Jahren dem Schutzbund bei, dem militärischen Arm der SPÖ, wie man das heute bezeichnen würde. Folgerichtig landete er 1934 im ersten KZ Österreichs, in Wöllersdorf. Man nannte es freundlich ‚Anhaltelager‘. Der bekannteste Häftling war wohl Otto Glöckel gewesen, Schulreformer und Vertreter einer gemeinsamen Schule für alle Kinder, auch heute noch ein Schreckgespenst für ÖVP und FPÖ.

Damals wurde die Demokratie durch die Christlich-Sozialen, heute ÖVP, zu Grabe getragen. Der Austrofaschismus ersetzte die Demokratie. Im ‚Roten Wien‘ gab es von nun an keine Windeln für Neugeborene mehr, sie wurden wieder auf Zeitungspapier gelegt, wie in früheren, noch ‚besseren‘ Zeiten.

Diese ‚bessere Zeit‘ ging an mir vorüber.

Ich wurde in den Zeiten des ‚Aufbaus‘ groß, als mein Vater, wie viele andere Väter, so viel verdiente, dass wir zwar nicht wohlhabend wurden, aber gut leben konnten.

Wir hatten ein Auto und einen Fernseher und fuhren an manchen Wochenenden hinaus ins Grüne. Wir wohnten in einer Betriebswohnung der ÖBB, mit Gasheizung, was mir endlich den Weg in den Keller, wo im alten Haus der Koks lagerte, ersparte.

Wir konnten uns sogar manchmal ein Sonntagsessen im Gasthaus in Kirchberg am Wechsel leisten. Im Schatten eines riesigen Kastanienbaums aß ich meine Lieblingsspeise: Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat.

Das Schnitzel hatte damals noch Flachsen und war mal besser, mal schlechter, nicht immer gleich. Wie schaffen die das heute bloß, dass jedes Fleisch frei von Flachsen ist?
Keine Ahnung.

Mein Vater konnte jedenfalls die Familie mit seinem, also EINEM Einkommen ernähren. Sogar auf Urlaub konnten wir fahren! Weit weg, bis nach Caorle, dem 24. Bezirk von Wien.
Knapp vor meiner Matura wurde seine Arbeitszeit verkürzt, er hatte nun Samstag frei. Ich nicht. Schule fand nach wie vor sechs Tage die Woche statt.

In unseren neuen Zeiten ist das unmöglich. Heute verschlingen Miete und Kinderbetreuungskosten  das Einkommen eines Familienmitglieds. Also muss der zweite Teil ebenfalls eine bezahlte Arbeit annehmen.
Mit anderen Worten: Heute benötigt es 80 Wochenstunden bezahlter Arbeit, um über die Runden zu kommen. Meine Eltern kamen noch mit 40 Wochenstunden aus.
Allerdings konnten sie nicht in Thailand oder auf den kanarischen Inseln Urlaub machen. Da sind wir heute besser dran.
Oder?

Andererseits  zerstören wir mit unseren Reisen die Welt und töten Menschen in der 3. Welt, die praktisch keinen Anteil an der Klimazerstörung haben.
Also war früher tatsächlich alles besser? Makroökonomisch gesehen jedenfalls.
Und sonst? Urteilen Sie selbst.

Schöne Weihnachten mit vielen Einkäufen, damit die Wirtschaft wächst
Ihr/euer
Erich Ledersberger

Für dieWeihnachtslektüre zu spät, aber Bücher können jederzeit gelesen werden:
https://www.wagnersche.at/list?cat=&quick=erich+Ledersberger&button-suche=

 

 

Ich bin ein Spekulant, Madame!

Alte Menschen wie ich erinnern sich vielleicht an Peter Zadek, dessen erster Film ‚Ich bin ein Elefant, Madame lautete. Das ist keine Reprise darauf, bloß eine sachliche Erörterung zum Thema Kleingarten.

Die Aufregung mancher Medien über Umwidmung von Kleingärten bedarf einer sachlichen Ergänzung.

 

Der Kleingartenspekulant

Die herrschenden Medien, also die Medien der Herrschenden, gefallen sich derzeit darin, die Sozialdemokratie als besonders verdorbenen Haufen von Spekulanten hinzustellen. Allerdings können nicht nur ein Bezirksvorsteher und mehrere Genossinnen und Genossen sich über Gewinne freuen, sondern tausende Schrebergärtner: Geld verdienen ohne zu arbeiten! Das entspricht doch der Mentalität des Wirtschaftssystems. An vorderster Front – das ist allerdings mehr als beschämend  – sozialdemokratische (?) Politiker und Politikerinnen.

Aber was ist daran neu? Seit Jahrzehnten geschieht Ähnliches permanent auf Gemeindeebene. Die Umwidmung von Landwirtschafts– in Bauland gehört zu den beliebtesten Geschäftigkeiten der Kommunalpolitik.

Wenn ein Bauer zu viel Geld im Casino verloren hat, verkauft er ein Stück seines Landes, erzählt man sich in ländlichen Idyllen. Das gilt selbstverständlich nur für Großbauern, die kleinen haben zu wenig Land für solche Spekulationen. Aber dort funktioniert das Spiel seit Generationen. Und jetzt will das Kleingärtnertum das gleiche Spiel spielen? Geht gar nicht, sagen die Medien.

Ja, der Vorgang ist widerlich. Aber er entspricht ganz dem Wesen der Wirtschaftsordnung, ausgeübt vorwiegend von ÖVP-Bürgermeistern.

Neurosental

Der Name ist Realität, es fehlt nur der Bindestrich zwischen Neu und Rosen. Mir gefiel das Fehlen des Bindestrichs. Als ich einmal sagte, dass ich ‚Neurosental‘ als Name eines Schrebergartenvereins lustig fand, sah mich der Vizeobmann erstaunt an. Was ich damit meinte, fragte er. Ich schwieg vornehm.

Nach vielen Schwierigkeiten erwarb ich dennoch einen Kleingarten im Neu-Rosental. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Hürden es gab, bis ich endlich stolzer Besitzer eines Gärtchens gegenüber von Steinhoff war. Die Vorbesitzerin, eine alte Dame, der der steile Garten zu viel geworden war, wollte ihn mir gerne geben. Aber da war noch der Verein samt seinem Vorsitzenden. Und etlichen Beisitzenden. Es folgten Verhöre durch den Vereinsvorstand, aber irgendwann hatte ich es geschafft.

Möglichweise fiel es dem Bezirksvorsteher des 22. Bezirks nicht so schwer, einen kleinen Garten zu erwerben. Ich weiß es nicht.

Ich als Obmann

Mein Garten lag in einem Steilhang, die Ruhe war sensationell und das kleine Schutzhaus ein wunderbarer Ort zum Verweilen. Die lärmende Großstadt lag irgendwo hinter den sieben Bergen, weit weg, etwa acht Kilometer bis zum Stephansdom. Ich setzte Salate, entfernte Nacktschnecken und schrieb im Dachgeschoss an meinem Buch. Das Haus hatte 35m² und mehr brauchte ich nicht zum Leben.

Irgendwann, man stelle sich vor, wurde ich sogar Obmann des Vereins.

Das Leben als Obmann eines Vereins ist prinzipiell nicht lustig. Es ähnelt dem Leben eines Personalvertreters für Lehrer – das war ich auch mal. Ich wurde mit Problemen konfrontiert, die sich jeder, zumindest meiner Phantasie entzogen. Mit anderen Worten: Kannste vergessen, wie die Berliner sagen.

Als mein Garten von einem Hangrutsch – ja, sowas gibt es auch im Wienerwald – verwüstet wurde, gab ich auf. Dabei hätte ich nach einer Umwidmung Tausende Euro gewinnen können! Das war mir klar. Die Umwidmung von Pachtgründen in Eigentumsgründe lag nämlich in der Luft. 1993 hatte der Wiener Gemeinderat beschlossen, dass die Pachtgründe auf Antrag des Gartenvereins in Eigentum umgewandelt werden können. Eine äußerst dumme Entscheidung, aber ganz im Sinn neoliberaler Politik, die auf Egoismus statt auf Gemeinwohl setzt. Plötzlich konnten die Pächter Eigentümer eines kleinen Gartens werden, der nun (damals noch in Schilling) Millionen wert war.

Jede Menge Kleingärten wurden umgewidmet, ihre Besitzerinnen und Besitzer von Pächterinnen und Pächtern zu Eigentümerinnen und Eigentümer. So nebenbei wurden damit auch illegale Schwarzbauten legalisiert, nicht wenig Kleingärtner hatten zu groß gebaut.

Es erging ihnen ein bisschen wie den oben erwähnten Bauern am Land, deren Grünland mit Hilfe des Bürgermeisters (er ist kurioserweise als letzte Bauinstanz dafür zuständig) in Baugrund umgewandelt wurde.

Klarerweise ergab das in Wien einen Wechsel in der Eigentümerstruktur in den Kleingärten. Statt Arbeitern, die sich über ein bisschen Grün freuen konnten, zogen gut betuchte Menschen ein, die keinen Salat anbauten, sondern einen Swimming-Pool in die Gegend knallten.

Ich empfand und empfinde diese Umwidmungen als Skandal. Nicht nur in Wien, sondern ebenso in den ländlichen Gebieten. Über Letztere schweigt die Presse der Herrschenden großzügig, außer der Skandal wird so groß wie in Grafenwörth.

Dort hatte der ÖVP-Bürgermeister Rapsfelder in eine Häuserwüste umgewandelt. Und dabei ein bisschen was verdient. Er hatte einige Jahre vorher Gründe um 60.000 Euro gekauft und nach der Umwidmung in Bauland um 1.000.000 Euro verkauft.

Im Endeffekt sind das Bereicherungen einzelner auf Kosten der Gemeinschaft, widerliche Geschäfte, die dem ÖVP-Gewäsch von den ‚Leistungsträgern‘ Hohn sprechen.

Es wird Zeit, an diesen Zuständen etwas zu ändern. Schafft Babler das? Ein gewisser Bernie Sanders unterstützt ihn im Geiste sicher.
Sein neues Buch: ‚Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein‘

Pardon, dass ich schon wieder etwas über Politik geschrieben habe. Immerhin habe ich die Grinsekatze außen vor gelassen und sämtliche Kriege auch. Da kennen sich so viele so gut aus, dass ich besser schweige.

Ein paar schöne Tage wünscht allen
Ihr/euer
Erich Ledersberger

Die Welt verändern – aber wie?

In meiner Jugend erfüllte mich ein Wunsch: Die Welt verändern, so, wie Jesus das wollte. Ich war gläubig, zumindest, was die christliche Botschaft der Nächstenliebe anlangte, dieses ‚Liebt die Menschen, wie ihr euch selbst liebt‘.

Das war später auch die Botschaft des Kommunismus‘. Beide Religionen scheiterten.

 

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