Gräber, Banken, kalte Eier

Be-Sitzer gesucht

Die letzten Tage waren sehr aufregend! Vom Bankenstresstest bis zum „Social Freezing“ — Erregung überall. Bald ist Ruhe.

 

Teil 1: Gestresste Banken

Worum genau es sich beim Banken-Stress-Test handelt, wissen wir einfachen Menschen zwar nicht, aber wir hoffen für die Banken, dass viel Eustress dabei war. Dabei handelt es sich bekanntlich um den angenehmen Stress, den man beispielsweise empfindet, wenn mann oder frau den Menschen trifft, der einen sexuell erregt.

Wie das bei einer Bank konkret funktioniert, weiß ich nicht, aber ich kann mir etwa vorstellen, dass das Innere des Gebäudes heftig zittert und unten, im Keller, wo die Schließfächer mit den Schmuckstücken und Sparbüchern lagern, die Schmetterlinge flattern. Ein wunderbares Bild, von dem es meines Wissens noch kein reales Bild gibt. Schade eigentlich.

A propos flattern: Die Volksbank verleiht bekanntlich Vlügel, wie es in einem grammatikalisch originellen Werbetext augenzwinkernd heißt — aber leider nicht beim Stress. Die Ervolksbank fiel beim Stresstest durch, das macht aber nichts, wie unser aller Beruhiger, der Herr Gouverneur Novotny, sofort betonte, weil der Test schon GAAAANZ lange her ist.

Außerdem haben in Italien 9 (!!! in Worten NEUN) Banken den Test nicht bestanden, im Land der potenten Männer ein besonders großes Problem. Okay, in Italien leben etwa acht Mal mehr Menschen und wenn ich das jetzt hochrechne, dann entspricht unsere eine Ervolksbank ja etwa den neun italienischen Banken … na, so genau wollen wir das nicht nehmen, bei uns ist alles paletti!

PS: In Italien übrigens auch, wie ein dortiger Politiker ausführte. Man habe bloß viel weniger Geld vom Staat bekommen als andere. Wer da an unsere schöne Hypo-Alpe-Adria-Bank denkt, liegt womöglich richtig.

Teil 2: Social Freezing

Nicht alles paletti läuft es bei uns leider mit der Fortpflanzung, da hinken wir der Entwicklung hinterher, wahrscheinlich, weil wir „Social Freezing“ nicht wollen.

Hinter diesem seltsamen Begriff verbirgt sich keine Kritik an einem Wirtschaftssystem, das soziale Bewegungen „einfriert“, sondern ein milliardenschwerer Markt. Die wissenschaftliche Entdeckung, dass weibliche Eizellen tiefgekühlt werden können und Jahre später (natürlich künstlich, auch wenn das irgendwie unnatürlich klingt) befruchtet, ist endlich in eine kapitalistisch verwertbare Phase getreten!

Da ist nämlich einerseits der Kinderwunsch von Menschen, die etwa an einer schweren Krankheit leiden und, wenn diese überwunden ist, auf ihre früheren, jüngeren, gesünderen Zellen zurückgreifen wollen.

Da ist andererseits das Interesse großer Unternehmen, intelligente und wichtige Mitarbeiterinnen nicht wegen einer Schwangerschaft in zu frühen Jahren zu verlieren, zumindest für einige Zeit.

Und da ist der Zwang, immer mehr zu arbeiten und dennoch schwer über die Runden zu kommen: Weil die Wohnungen zu teuer sind, weil das Arbeitstempo wächst, weil es nicht mehr um Menschen, sondern nur mehr um „die“ Wirtschaft geht.

Kein Wunder, dass junge Menschen aus Angst um ihren Arbeitsplatz, manche auch aus Angst um die Karriere, auf Kinder verzichten, was für unsere Gesellschaft auf Dauer auch keine Lösung ist.

Daher bieten Facebook und Apple ihren weiblichen Mitarbeiterinnen an, ihre Eizellen auf Kosten der Unternehmen einfrieren zu lassen. Völlig freiwillig natürlich, denn Freiheit ist bekanntlich das Maß alles Maßnahmen solcher Konzerne. Oder?

Wir sind so frei

Mit der Freiheit ist das ja nicht so einfach. Einige Männer erzählten mir, dass es in ihrem Unternehmen schwierig bis unmöglich ist, als Mann „in Karenz“ zu gehen.

Selbstverständlich hat jeder die Freiheit, das zu tun.
Niemand wird ihm das verbieten.
Alle Unternehmen halten sich an die Gesetze!

Es könnte allerdings möglicherweise, vielleicht, man kann nie wissen, auch irgendwie Nachteile geben. Die Kollegen hätten damit auch keine Freude. Vielleicht wird demnächst eine interne Umstrukturierung erfolgen, dann, nein, das habe nichts mit einem Ansuchen um Karenz zu tun, man wolle das nur sagen, man sei ein transparentes Unternehmen … und selbstverständlich habe jeder die Freiheit.

Oder?

Und wer da glaubt, Unternehmen wie Facebook oder Apple seien von einem humanen und selbstbestimmten Menschenbild geprägt und voll der christlichen Nächstenliebe, der möge einen kurzen Augenblick an jene Betriebe denken, die zum Beispiel Apple für seine Geräte beauftragt und wo sie ihre Gewinne versteuern.

Wie sehr dieses System der „Freiheit“ sich in den Köpfen auch von intelligenten Menschen festgesetzt hat, zeigte zum Beispiel die ZDF-Sendung mit Günther Jauch vom 26. Oktober 2014, der sich zum Liebdiener der Frauen, besser gesagt: des neuen Tiefkühleiermarktes machte.

Dort waren sich nahezu alle Beteiligten (drei Frauen und der Betreiber eines Eier-Tiefkühlmarktes) einig, dass es wunderbar ist, so etwa ab 40 bis 50 Jahren Mutter zu werden mit eigenen Eiern aus der eigenen 20er Jahren — die Väter werden schließlich auch immer älter. Darüber rege sich niemand auf, wobei ich anderer Meinung bin. Kaum etwas ist so lächerlich wie diese neuen Väter, die als Großväter eine viel bessere Figur machen könnten.

Egal, außer dem Wissenschafter Ranga Yogesh waren alle begeistert, aber der gilt nicht, der ist ja ein Mann. (Günther Jauch fiel in der Sendung vor allem als sexuell neutraler Ahnungsloser auf.)

Eine Frau bemerkte allerdings, dass das mit den gefrorenen Eiern nicht immer klappt. Wahrscheinlich von Fortschrittsgegnern angeheuert.

Alles ist möglich

Englisch: „Anything goes.“ Das ist in beiden Sprachen Unsinn, aber kaum jemand erhebt dagegen Einspruch.

Vielleicht grübeln manche Menschen darüber, dass es für die Kassierin im Supermarkt vielleicht kein Thema ist, ihre Eier um etwa € 3.000,00 bis € 5.000,00 pro Eizellentnahme einfrieren zu lassen plus die Kosten für die Lagerung und für die darauf folgende Befruchtung zu bezahlen. Wenn das erwünscht ist, hier liegt ja ebenfalls die große und finanziell ertragreiche Freiheit der beteiligten Unternehmen begraben!

Vielleicht kommt es einigen Menschen seltsam vor, wenn nach den Vorstellungen des „Social Freezing“ zukünftige Kinder im Reagenzglas tiefgefroren werden, irgendwann von Samen, der von onanierenden Männern gewonnen wurde, befruchtet und dann in einen zukünftigen Mutterbauch eingesetzt werden.

Vielleicht ist es pervers, sein Leben nach einer „to-do-Liste“ zu organisieren, in dem Kinder ein Platz zugeordnet wird wie die Abgabe der Steuererklärung.

Hoffentlich hat auch jener Mahner aus den Alpen (Martin Ott) unrecht. Er führt die Aggression von Kühen, die in diesem Jahr immer mehr Menschen scheinbar sinnlos attackierten, auf die Technisierung zurück. Künstliche Befruchtung, roboterartige Melkmaschinen, also der fehlende Kontakt mit Menschen, lassen die Tiere aggressiv werden. Die Mensch-Kuh-Beziehung fehlt.

Wenn das bei den künstlich gefrorenen und gezeugten Kindern auch der Fall wäre, dann … egal. Es wird sicher alles gut.

Alles wird gut

Spätestens im Grab, wo wir alle gleich sind und unbedeutend. Beziehungsweise gleich unbedeutend.

Sogar die Männer. Wie hier zu sehen:

Schönes Allerheiligen und Allerseelen — bis zum

10. November in Wien
Stuwergasse 42
19:00 Uhr
Lesung aus
„Ich bin so viele“

Irgendwann ist der Stress vorbei!

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