Morgens sehe ich manchmal das Morgenmagazin von ARD und ZDF. Dort gibt es jene Berichterstattung, für die ich ORF-Gebühren zahle. (Das österreichische Gesetz sieht bekanntlich vor, dass jede/r Gebühren zahlt, die/der einen Fernseher im Haushalt stehen hat. Egal, ob sie/er ORF sieht oder nicht. Im Sinne der Allgemeinbildung ist übrigens das Abschalten von ORF-Programmen zu empfehlen.)
Jedenfalls hörte ich im Morgenmagazin von einer Untersuchung unter BiologielehrerInnen. Acht Prozent von ihnen glauben demnach, dass die Welt in sieben Tagen von einem lieben Gott erschaffen worden ist. Bei den anderen LehrerInnen sollen es 15 Prozent sein, in der Türkei gar 80 Prozent.
Kardinal Schönborn wird diese Nachricht freuen. Wahrscheinlich gefallen ihm die Zahlen aus der Türkei in diesem Fall noch besser. Mir allerdings schwindet die Hoffnung, dass die Vernunft zwar „leise ist, aber letztlich siegt“, wie Sigmund Freud schrieb.
Knapp gesagt heißt das, Darwins Evolutionslehre ist – ungefähr 150 Jahre nach ihrem Erscheinen – noch nicht einmal bei jenen angekommen, die sie berufsmäßig verstehen sollten. Das erinnert an Galileo. Dessen Erkenntnis, dass die Erde keine Scheibe ist, wurde von der katholischen Kirche heftig bekämpft. Solange, bis jegliches Dogma nichts mehr nützte. Soll es im Fall der Evolutionslehre wieder so lange dauern?
Dabei wäre es an der Zeit, Gott als das zu bezeichnen, was er ist:
eine Erfindung des Menschen.
Das spricht nicht gegen ihn. Aber es rückt ihn an jene Position, die ihm gebührt.
Denn wohin führte der Glaube bisher?
Im Westen zur „Missionierung“ der Indianer in der Vergangenheit, bis sie nahezu „verschwunden“ waren und zu Mordanschlägen auf Ärzte, die Abtreibungen durchführen heute. Im Osten zu Schlachten zwischen Hindus und Moslems, zwischen Israelis und Palästinensern, zwischen Schiiten und Sunniten. Auch Afrika blieb von den „Glaubenskämpfen“ nicht verschont, die immer schon ein Ersatz für andere Interessen waren.
Alles im Namen des jeweils einzigen Gottes. Der noch dazu alle Menschen liebt.
Dabei könnte alles ganz einfach sein: der Mensch ist nämlich gut. Nicht, weil ein Gott es ihm vorschreibt, sondern weil er das Gutsein zum Überleben braucht. Ein einfaches Naturgesetz, das sogar bei Schimpansen zu beobachten ist.
Funktioniert ganz ohne Gott. Und meistens besser.
Ja, ich kann Dir da nur zustimmen. Ich denke auch, dass der Glaube an Gott im Laufe der Geschichte viel Unheil angerichet hat, zugleich ist er aber auch der Aufschrei der gequälten Kreatur, so wie das mal ein gewisser Karl Marx gesagt hat, soll heißen: weil für viele Menschen die Lebensumstände alles andere als rosig sind, sich die Gesellschaft immer mehr in GewinnerInnen und VerliererInnen aufteilt, ist der Wunsch nach ausgleichender Gerechtigkeit – im Sinne eines liebenden Vater- oder Muttergottes bzw. Göttin! (man merke hier die jetzt spontan entstandene Mutation dieses Begriffes!) vor allem weil diese „Muttergottes“ hierzulande immer mehr Verehrung genießt als ein doch ame Ende eher unbekannte Vatergott – mehr als verständlich. So viel zum „lieben Gott“. Eine Frage, die mich aber auch immer wieder beschäftigt: Wäre unsere Kultur ohne Religion nicht auch um vieles ärmer? Das mag jetzt widersprüchlich klingen, aber ich gehe immer wieder gerne in Kirchen, wenngleich ich nicht gläubig bin, höre gerne sakrale Musik, und finden wir nicht gerade in der bildenden Kunst aller Epochen bis herauf zur Moderne gerade im gebrochenen und zerschundenen Körper Christi die beste Metapher für unser geschichtlich durchzogene Leid? Ich suche für mich diese Kirchen als Leerräume auf, als Leerstellen, die das Draußen einer meistens verlogenen Welt des Konsumwahns und der sozialen Ausgrenzung von einem Drinnen der Stille, manchmal – vor allem im Sommer – vom Summen einer Fliege, die sich in diese Kirche verirrt hat, unterbrochen. Vielleicht sollten überhaupt keine Messen mehr gelesen werden, nur mehr ein Sirren der Schnürre an einer Fahnenstange im Wind, wie ich es heute zum Beispiel in der Kirche Sölden gehört habe, direkt vis a vis neben einem Tabledanclokal wo eine in Figur gegossene Nackte sich ebenfalls um eine Stange windet, als Giebelvorsatz sozusagen gegenüber dem Kreuz mit dem Wetterahn. Was sollen hier noch Messen, Gebote, Feiertage, Predigten etc. Der Pfarrer müsste hier eigentlich schon längst einen Nervenzusammenbruch erlitten haben, dachte ich mir. Bleibt alles leer in uns, hören wir der Stille zu. Und versuchen wir die Welt zu verändern. Sie braucht es!
Helmut Schiestl