Es ist schon ein paar Jahre her, da hörte ich in einer Fernsehsendung von Elisabeth Spira den Ausdruck „reinrassiger Österreicher”.
Das kam so.
Die Filmemacherin, die eine große Zuneigung zu der Stadt Wien hat, interviewte eine Familie. Wie so oft kam die Sprache auch auf die sogenannten Ausländer, gegen die man selbstverständlich nichts hätte.
So allgemein halt. Prinzipiell sozusagen. Andererseits. Und da fiel dem Oberhaupt der Familie ein:
„Waun des so weidageht, daun gibt’s in zwanzg Joah kan reinrassigen Östarreicha meah!“
Übersetzt heißt das, dass es in 20 Jahren keinen reinrassigen Österreicher mehr geben wird, wenn das so weitergeht.
Der Mann, der das sagte, war gar nicht unsympathisch. Auch nicht sehr sympathisch. Er war irgendwie neutral. So wie das der österreichischen Seele und der Verfassung entspricht.
Ich dachte jedenfalls sofort an Hunde. An einen reinrassigen Schäferhund zum Beispiel. Der hat, weil er so gut gezüchtet ist, immer einen Hüftschaden. Ich habe noch nie einen fröhlichen reinrassigen Schäferhund gesehen. Immer gehen diese Reinrassigen traurig durch die Gegend. Wahrscheinlich denken sie an die bevorstehende Operation, die sie einigermaßen lebensfähig machen soll.
Soviel ich weiß, sind sogenannte Bastarde, also Hunde, die aus mehreren Rassen gemischt sind, die gesündesten unter den Hunden. Auch die fröhlichsten übrigens.
Der netteste Hund, den ich je gesehen habe, hatte den Namen Rolfi. So hießen die meisten Hunde in der guten, alten Zeit. Sein linkes Ohr stand nicht aufrecht wie ein deutscher Wehrmachtssoldat, sondern gab sich der Anziehungskraft hin. Er war kinderlieb, denn er ließ alles über sich ergehen, was ich mit ihm machte. (Ich war auch einmal ein Kind.)
Einmal knurrte er mich an. Auch ein Bastard — auf Wikipedia habe ich gerade erfahren, dass diese Bezeichnung veraltet ist und nun Hybride heißt, was nichts am Inhalt ändert, aber viel schöner klingt — hat Grenzen seiner Belastbarkeit. Rolfi aber hat mich nicht totgebissen, sondern mich nur gewarnt, seine privaten Grenzen nicht zu überschreiten. „Privacy“ war ihm wichtig.
Ich werde ihn nicht vergessen.
Rasse und Rassismus
Warum also wollte dieser Mann unbedingt, dass es den reinrassigen Österreicher gibt?
Abgesehen davon, dass ich mir unter einem reinrassigen Österreicher, geschweige denn unter einem reinrassigen Wiener, nur schwer etwas vorstellen kann.
Wie sieht er aus, woher kommt er? Wahrscheinlich aus Böhmen oder Ungarn, wenn er seit ein paar Generationen hier lebt. Oder aus Serbien. Oder gar aus der Türkei, wenn er noch nicht so lange hier lebt.
Wenn aber selbst bei Tieren die Vermischung von sogenannten Rassen bessere Hunde hervorbringt, warum sollte das bei Menschen anders sein?
Wenn man bei Menschen überhaupt von unterschiedlichen Rassen sprechen kann. Die Unterschiede bei Menschen sind ja relativ gering, keinesfalls so groß wie etwa zwischen einem Mops und einem Pit Bull Terrier.
Irgendwie erinnerte mich seine Aussage an die mancher Menschen, die glauben, dass Männer und Frauen nicht nur unterschiedlichen Geschlechtern, sondern sozusagen unterschiedlichen Rassen angehören.
Die einen sind gewalttätig, die anderen Opfer. Manchmal ist es auch umgekehrt.
Es gibt übrigens ziemlich viele Vergewaltigungsopfer, die nicht weiblich, sondern männlich sind.
Aber das führt wahrscheinlich zu weit.
Jedenfalls finde ich Rassismus, wie immer er sich tarnt, als eine ziemlich doofe Angelegenheit.