Eigentlich wollte ich heute über Balkanschnitzel und Zigeunerlieder schreiben. Etwas zum Thema „politische Korrektheit“, denglisch „political correctness“. Über die naive Meinung, dass man Wörter verbietet und dadurch die Welt besser wird.
Oder: Das Ende der Vernunft?
Dann habe ich ein bisschen gegoogelt — und konnte mich nur wundern über die Aufgeregtheit, mit der in Medien darüber, nein, nicht diskutiert, sondern gestritten wird. Und das nicht nur in den „social media“, dort ist man bekanntlich vom Aufwachen bis zum Schlafengehen geistig erregt. Nein, auch in so genannten seriösen Medien ist der Streit um Kaisers Bart Thema.
Hannover hat in seinen Kantinen die Bezeichnung „Zigeunerschnitzel“ durch „Balkanschnitzel“ ersetzt. Dabei weiß jede Wienerin, dass der Balkan erst am Rennweg beginnt. Wobei, wie ich nach meiner Übersiedlung nach Tirol feststellen musste, es in Innsbruck ebenfalls einen Rennweg gibt.
Wo der Balkan beginnt, bleibt daher vorläufig offen, etwas Positives wird damit jedenfalls nicht verbunden, was den Geschmack des „Balkanschnitzels“ hoffentlich nicht mindert.
Der Glaube, dass sich durch die í„nderung eines Wortes die Diskriminierung einer Bevölkerungsgruppe ändert, ist ein seltsamer. Die USA können dafür als Beispiel herhalten: Dort hat sich an der Unterdrückung der — ja, wie jetzt — schwarzen Afro-Amerikaner (ich hoffe, das ist korrekt) jedenfalls erstaunlich wenig geändert.
Darauf hat der Präsident deutlich hingewiesen, indem er sogar dieses Wort, also das mit N beginnt, in einem Satz verwendet hat.
„US-Medien vermeiden den Ausdruck und sprechen nur vom ‚N-Wort‘, selbst Obamas í„ußerung wurde im Fernsehen mit einem Piep übertönt.“
In Wien nahm man es bei den Festwochen nicht so genau und führte Jean Genets Stück „Die Neger“ mit dem Originaltitel auf. Mark Twain hat es nach seinem Tod 1910 schwerer: Eine neue Edition seines Klassikers „Huckleberry Finn“ soll politisch korrekt werden.
219 Mal kommt in dem Roman, der ohnehin ein Feindbild für puritanisch gesinnte Menschen ist — Held ist ein Herumtreiber, der sich nicht in die Gesellschaft von braven Leistungsträgern einfinden will — das Wort „Nigger“ vor. Allerdings wendet es sich gegen Rassismus — seltsam, dass gerade jene, die es gut mit uns meinen, uns plötzlich Vorschriften machen. Oder ist alles ganz anders?
Harald Martenstein, das Feindbild aller Dogmatikerinnen und Dogmatiker, stellt in einem Interview fest:
„Die Naivität gewisser Weltbilder amüsiert mich. … Die Streiter für abstrakte Menschlichkeit sind im Konkreten häufig nicht sehr menschenfreundlich. … Politische Korrektheit hat für manche religiöse Züge.“
Und weil ich kein religiöser Mensch bin, schreibe ich heute nichts mehr zum Thema politische Korrektheit!