Heute vor 15 Jahren ging www.kakanien.com online – ein Grund zum Feiern!
Einer der ersten Texte handelte vom Glücklichsein. Irgendwie passt er noch immer zum aktuellen Zeitgeschehen.
[Blau machen ist nicht politisch gemeint!]
Vom Glücklichsein
Liebe Leserin, lieber Leser!
Stellen Sie sich vor, Sie haben mit einem Schlag, mit einer Entscheidung keinen Stress mehr, keine Hast, keine Eile.
Stellen Sie sich vor, Sie haben Zeit ein Buch zu lesen, mit ihren Freunden oder gar mit ihren Kindern zu reden über deren Sorgen, deren Leben.
Stellen Sie sich vor, Sie können inne halten, nachdenken über die Welt und sich. Sie machen all das, ohne Geld auszugeben für ein Seminar í la „Time-Management – wie organisiere ich die 48 Stunden eines ganz normalen Tages“ oder ähnlichen Unsinn.
Sie haben mit einer winzigen Entscheidung ihr Leben selbst in die Hand genommen.
Das Rezept ist, falls Sie ComputerbesitzerIn sind, ganz einfach. Aber der Reihe nach.
Gestern kaufte ich mir einen CD-Brenner, weil ich meine Daten sichern wollte. Meine Tagebücher, meine Buchhaltung, meine Gedichte, meine Adressen und eben alles, was der moderne EDV-Mensch so braucht fürs Leben. Der Verkäufer versicherte mir, dass alles ganz einfach sei. Um es kurz zu machen: Nachdem ich alles vorschriftsmäßig installiert hatte, funktionierte gar nichts mehr.
Einen langen Nachmittag lang hatte ich das Gehäuse des Computers geöffnet, Kabel von da nach dort und von dort nach da verlegt, gesteckt, mich in ihnen verheddert wie einstens Laokoon in den Schlangen. Telefonisch eingeholte Ratschläge führten mich immer tiefer hinunter in den Hades von Microsoft und Konsorten. Dateien wurden vernichtet wie in den besten griechischen Tragödien Mütter und Väter, Steine rollten auf mich, jeder einzelne schwerer als der von Sysiphos auf den Berg geschobene. Wie viele E-Mails erreichten mich wohl gerade ohne Chance auf Antwort, während meine Finger sich wund rieben an scharfen Kanten des Computergehäuses!
Ich lege Kabel A an die Schnittstelle B und C auf D. 2 hoch 4 Möglichkeiten gibt es, dazwischen starte ich den Computer, um immer wieder eine neue Fehlermeldung zu bekommen. Ihr Wortlaut entstammt der Phantasie eines nimmermüden Poeten der binären Zahlen, rätselhaft wie die Sphinx, bloß gibt es keine Lösung.
Nach sechs Stunden bin ich dem Wahnsinn nahe, der bekanntlich an der Grenze zur Wahrheit wohnt. Einem Phönix aus der Asche gleich steigt auf der erlösende Gedanke:
Weg damit!
Was immer auf dieser verdammten Festplatte ist, ich will es nicht mehr wissen. Ich will mich weder Bill Gates noch Linux unterwerfen, weder Adobe noch Macromedia und wie sie alle heißen, diese Sirenen der Moderne.
Seither ist das Leben wieder lebenswert.
Was sagen Sie?
Womit ich den Text geschrieben habe?
Mit dem Notebook, ehrlich gesagt. Einen kleinen Ausweg muss man sich immer frei halten. Für Note-Fälle.
Bis nächste Woche
Ihr
Erich Ledersberger