Vor ein paar Wochen habe ich einen Text gelesen, der sich mit Ruhe allgemein und im Besonderen mit jener in der U-Bahn beschäftigte. Die Meinungen gehen bei dem Thema ja ziemlich weit auseinander, von der fahrenden Disko — häufig als VW-Golf verkleidet — bis zur Friedhofsstille ist alles denkbar und möglich.
Ohrenlider erwünscht!
Linz, die österreichische Welthauptstadt der Elektronik und Kunst (ars electronica), hat irgendwann sogar für Stille und Ruhe geworben.
Auf der anderen Seite habe ich irgendwo gelesen, dass Menschen in einem Gebiet von Lateinamerika sich gerne dort niederlassen, wo es besonders laut ist. Vielleicht gibt ihnen das ein Gefühl der Sicherheit. Wilde Tiere meiden solche Orte.
Aber vielleicht habe ich das alles nur geträumt. Ich wollte eigentlich Folgendes erzählen.
Cry, cry baby!
Ein Mann erzählte im Internet, er habe im Waggon einer U-Bahn eine Gruppe Kinder gesehen. Die saßen ganz ruhig da und redeten nicht. Das erschien ihm auffällig, vor allem wohl deshalb, weil sie keine Handys fixierten.
Daher habe er die Kindergärtnerinnen mit all seiner Zivilcourage gefragt, warum die Kinder denn so ruhig seien.
„Wir haben ihnen gesagt, dass sie in der Straßenbahn still sein müssen“, lautete die Antwort.
Der Mann war darüber nicht erfreut und fand das – ich verkürze den Text – eine ungerechte Unterdrückung der Kleinen. Da ich nicht weiß, ob die Pädagoginnen den Kindern auch im Prater das Reden verbieten und diese geordnet in militärischen Zweier-Reihen durch die Wiesen marschieren müssen, konnte ich mich emotional nicht entscheiden, ob ich von dem Mut des Mannes angetan sein sollte. Oder vom Mut der Kindergärtnerinnen, vieles im Leben ist ja eine Sache des Standpunktes.
Jedenfalls dachte ich, dass der gute Mann ein wenig voreilig gehandelt hatte und hoffte bloß, dass er auch bei Polizeieinsätzen so forsch einschreitet, wenn er sie pädagogisch bedenklich findet.
Wochen später fiel mir diese Geschichte wieder ein.
Taube Tiere
Als ich nämlich vor einigen Tagen in der Prater Hauptallee gemütlich vor mich hinlief und eine meiner Lieblingssendungen von Ö1 hörte, vernahm ich plötzlich laute Schreie. Ich nahm meine Kopfhörer ab, kein Zweifel: Hier geschah ein Gewaltverbrechen!
Ich wollte gerade einige Menschen sammeln, damit wir uns auf die Täter stürzten, da sah ich eine Kinderschar kommen. Vorneweg ein kleiner Bub, der strahlend Quietschtöne von sich gab, vor denen Jerichos Mauern erbebt und Oskar Matzerath taub geworden wäre.
Dahinter ein etwas kleineres Kind, das sich bemühte, die gleiche Sirenenlautstärke abzugeben wie sein Vorbild vor ihm.
Einige Schritte darauf folgte ein Mädchen, das vorwurfsvoll den Kopf schüttelte, sich die Ohren zuhielt und eine junge Frau, wohl auch eine Kindergartenpädagogin, anflehte, dem Gekreische ein Ende zu setzen.
Die Frau schüttelte müde den Kopf und auch die dahinter gehenden kleinen und großen Menschen machten den Eindruck einer müden Karawane, die jegliche Hoffnung auf Erlösung aufgegeben hatte.
Die Tiere des Waldes waren bereits geflüchtet und ich setzte meine Kopfhörer wieder auf. Und da fiel mir auch die Geschichte von der U-Bahn wieder ein.
Vielleicht haben die Kinder dort gelernt, dass Rücksicht eine gute Sache ist, ohne die wir schwer miteinander auskommen?
Und die Kinder im Prater, dass gegen einen brüllenden Führer nichts getan werden kann.
In diesem Moment konnte ich mich leichten Herzens für eine Alternative entscheiden.