Ich leide ein wenig unter Masochismus, wobei leiden für unsereins bekanntlich Freude bedeutet.
Daher habe ich mir ein weiteres Sommergespräch (#orfsg17 ) angesehen.
Zumindest einen Teil, denn wenn der geistige Schmerz zu groß wird, vergeht auch einem Masochisten der Spaß am Leiden.
Wie wird Anchorman Tarek Leitner sein Gespräch beginnen?
Karies und Politik
Tarek Leitner beschäftigt sich am Anfang des Gesprächs mit dem Aufregerthema „Karies bei Kindern“. FPÖ-Obmann Strache war schließlich einmal Zahntechniker und da will das Wahlvolk, davon bin ich zutiefst überzeugt, wissen, ob er sich in der Sache auskennt.
Sagen wir es konkret: Wie können wir uns das vorstellen? Immer weniger Karies in den letzten zehn Jahren, immer gesündere Zähne bei Kindern. Alles wird besser. Herr Strache, was sagen Sie dazu? Also zu meiner Frage. Also etwa … jetzt habe ich meine Frage vergessen. Macht nichts, unsere Politiker antworten ohnehin nicht auf Fragen.
Freiheit für Freiheitliche
Die erfolgreiche Interviewtechnik des Journalisten – er packt so viele Sätze und Nebensätze in seine Frage, dass sich niemand mehr auskennt – bringt sogar Herr Strache etwas durcheinander. Er lächelte krampfhaft in die Kamera, bevor er versuchte zu antworten, immerhin mit einem Zitat von Bert Brecht, das er als allgemeinen Spruch ausgab. (In etwa: ‚Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank.‘)
Heute möchte ich aber nicht die Fragen von Herrn Leitner transkribieren, sondern die Antworten von Herrn Strache. Etwa die auf die Frage der Fairness. Ist es gerecht, dass das Erben in Österreich nichts kostet?
Anders ausgedrückt: Die Nachfahren von emsig arbeitenden Menschen bekommen zum Nulltarif etwas, wofür sie nichts geleistet haben. Man könnte das auch Sozialschmarotzertum nennen.
Ich betone der Ordnung halber, dass ich nicht das mühsam erarbeitete Haus oder die ersparte Wohnung meine, sondern jene, die Millionen von Euro geschenkt bekommen, keine Steuer dafür bezahlen und dennoch alle sozialen Errungenschaften wie Spitäler, Schulen, Verkehrsmittel, Straßen etc. benutzen, die von den Steuern der arbeitenden Bevölkerung bezahlt werden.
Warum sollen solche Erbschaften steuerfrei bleiben?, fragt Herr Leitner, wenn auch etwas umständlicher.
Herr Strache meint dazu:
„Es ist gut, dass Sie das ansprechen. Denn wir haben grundsätzlich, und das überschneidet sich jetzt mit den Themen, die Sie angesprochen haben. Wir haben eine Fairnesskrise in Österreich. Es sind viele Bereiche völlig unfair systematisch gestaltet. Und das ist jetzt das Beispiel. Mindestlohn war ja längst überfällig. Das ist ja eine jahrelange freiheitliche Forderung gewesen, wie sie jetzt, zum Glück, einmal beschlossen wurde. Wir brauchen eine Mindestpension. Es ist eine Schande in dem Land, dass heute Menschen, die 40 oder 45 Jahre hart gearbeitet haben, mit durschschnittlich, nämlich jeder zweite, unter 960 Euro, sprich 940 Euro monatlich an Pension erhält. Und gleichzeitig ein unfaires System, wo Menschen, die gar keine Stunde hier gearbeitet haben, keinen einzigen Cent in das Sozialsystem eingezahlt haben, dann eine Mindestsicherung von 840 Euro erhalten.“
Keine Sorge, liebe Millionärinnen und Millionäre, ihr seid nicht gemeint!
„Nicht einmal Grundwehrdiener, die etwas leisten für unser Land und Grundwehrdienst oder Zivildienst absolvieren, kriegen eine Mindestsicherung. Die sollen sie erhalten. Dies Leute leisten etwas. Das heißt, wir haben ein unfaires System, wo eine Mindestpension von 1.200 Euro in Zukunft notwendig werden muss, aber auch ein Mindestlohn, wo darunter hinaus es nicht sein kann, dass Menschen, die keinen Beitrag geleistet haben, eine Mindestsicherung von 840 Euro erhalten. Es ist einfach ungerecht und unfair, und da müssen wir gegensteuern. Das ist die Debatte.“
Aha. Ging es nicht um die Erbschaftssteuer, die es gar nicht gibt?
Und dass dadurch Leistungsunwillige oder zumindest Menschen ohne Leistung etwas bekommen, das andere nicht bekommen?
Selbst Tarek Leitner bemerkt, dass seine ausschweifende Frage ausschweifend nicht beantwortet wird.
„Wir sind jetzt bei der Gerechtigkeitsdebatte. Also wenn wir von Fairness reden oder unfairen Entwicklungen, diese Menschen, Sie und ich, und viele Menschen da draußen, arbeiten tagtäglich fleißig. Ja. Sie zahlen Steuern mit ihrem Lohn. Sie arbeiten bis zum 15. August für den Staat. Ja. Im Durchschnitt. Ja. Erst dann für die eigene Tasche.“
Okay, darum haben wir in Österreich ein funktionierendes System von Spitälern, Schulen, Universitäten, öffentlichen Verkehrsmitteln undsoweiter, aber bitte, das geht auch billiger. Siehe Großbritannien oder die USA, wo arbeitende Menschen demnächst vielleicht keine Krankenversicherung haben werden.
„Und dann erwirtschaftet man sich über Jahrzehnte, und nimmt sich wahrscheinlich auch einen Kredit auf, hoffentlich ein kleines, hoffentlich ein kleines Vermögen, Haus, eine Wohnung, einen Grund und Boden, einen Bauernhof, und dann soll man am Ende Erbschaftssteuer zahlen? Wo man ein Leben lang für seine Kinder gearbeitet und Steuern gezahlt hat, dann, vom Leben wegscheidet und stirbt, dann sollen die Kinder, wofür die Eltern stark geschuftet und Steuern gezahlt haben, noch einmal Steuer zahlen? Also das ist nicht gerecht. Das ist nicht fair. Das ist genau der Punkt.“
Genau. Das ist jener Punkt, an dem sich die Kinder jener Eltern, die zu keinem Bauernhof gekommen sind, weil sie zu wenig verdient haben, ärgern. Wobei die Erbschaftssteuer nicht beim kleinen Bauernhof eingehoben werden soll, sondern – laut Vorstellung der SPÖ beispielsweise – bei einem Vermögen ab etwa einer Million Euro. Das kostet kaum ein Bauernhof in Österreich.
„Um diese Fairnessdebatte geht’s. Wir müssen schau’n, dass jeder Mensch, der etwas leistet, und jeder Mensch, der etwas arbeitet, nicht von einer rot-schwarzen Bundesregierung …“
Es folgt ein unverständliches Durcheinander der beteiligten Personen, das Herr Strache über den Staat an sich, der sein fleißiges Volk ständig ausnimmt, plaudern lässt.
Herr Leitner möchte nochmals auf die Erbschaftssteuer zurückkommen und versucht zu erläutern, was er von Herrn Strache wissen will.
Dass er darauf keine Antwort gibt, war vorhersehbar.
An diesem Punkt habe ich abgeschaltet.
Demnächst kommt ja Schwurbelprinz Kurz von der ehemaligen ÖVP, ganz neu und viel lustiger Liste Kurz genannt, zu den Sommergesprächen.
Dieser Mann, der sogar Herrn Strache rechts überholt hat, könnte einen neuen Weltrekord im Schwurbeln aufstellen.
Meine Erwartungen sind hoch, mal sehen, ob Herr Kurz sie erfüllt.
In diesem Sinn:
Schöne und spätsommerliche Tage wünscht allen
Erich Ledersberger