Ganz Kurz!

Mogelpackungen - verkaufte Luft

Das neue Parteiprogramm – ganz Kurz!

Als ich neulich die Zeitschrift „Konsument“ erhielt, befürchtete ich bereits einen weiteren Text zum Thema Sebastian Kurz. Am Titelblatt stand nämlich: „Mogelpackungen – verkaufte Luft“.

Der Text handelte von Verpackungen, die wenig beinhalten.  Und erinnerten mich an die #Sommergespräche, kurz: #orfsg17 mit Sebastian Kurz.

 

 

Das ÖVP-Programm der Liste Kurz

Tarek Leitner widmete sich in den Sommergesprächen endlich dem wichtigsten aller Politiker, Herrn Kurz. Und ich notierte getreulich dessen wichtigste Aussagen. Es war nicht einfach, sie zu finden, aber ich gab mir, wie stets, große Mühe!

Warum legt der Kanzlerkandidat das neue Parteiprogramm nicht vor, wollte Herr Leitner wissen.
Das war selbstverständlich eine falsche Frage, auf die Herr Kurz nicht antwortete. Und das ging so:

„Also das finde ich jetzt spannend. Ihre Vorfrage war gerade, ob schon alles vorbereitet war (die Übernahme der ÖVP durch Herrn Kurz, Anmerkung) und jetzt, sozusagen, hör ich da durch, und in den letzten Wochen ist ja oft thematisiert worden, warum gibt’s noch immer kein Programm.“

Herr Leitner möchte aber, typisch Journalist, eine Antwort auf seine Frage hören. Sehr aufdringlich!

„Ist ja nicht bös‘ gemeint“, relativiert Herr Kurz. „Ich versteh die Frage ja voll und ganz. Ich muss nur manchmal schmunzeln, wenn die, wenn die Kritik von beiden Seiten kommt. Zum einen wird gesagt, da war aber schon viel vorbereitet, und dann heißt’s, warum ist es noch nicht fertig. Das finde ich manchmal etwas unterhaltsam.“

Jetzt aber wirklich zur Antwort!

„Das beantworte ich gern. Also zum einen, wie haben wir es erstellt. Bewusst anders, als das früher gemacht wurde. Also wir haben, normalerweise, Sie wissen das wahrscheinlich, so ein Parteiprogramm wird in der Parteizentrale normalerweise von ein paar Mitarbeitern geschrieben, dann wird es layoutiert und dann wird’s präsentiert.
Wir haben ganz bewusst gesagt, mein Team und ich, wir wollen einen anderen Weg gehen. Ich hab‘ den ganzen Sommer über Österreichgespräche geführt, hab‘ mit unzähligen Menschen gesprochen und hab‘ insgesamt, ah, vielen die Möglichkeit geboten eben sich einzubringen. Zehntausend Menschen haben das genutzt, in den unterschiedlichen Formaten, auch in den Bundesländern, teilweise auch online und es ist jetzt sehr viel geworden, nämlich rund 250 Seiten, ich hab‘ die letzten Wochen relativ wenig Termine gemacht, nicht weil ich auf Urlaub war, sondern bewusst auch, weil ich das im Detail durchgehen wollte, das eine oder das andere auch verändert hab‘. Und jetzt, nachdem es relativ viel geworden ist, haben wir uns entschieden, es in drei Teilen zu präsentieren und ich sag‘ Ihnen schon auch, warum.“

Jetzt geht es aber ganz, ganz wirklich zur Sache, also zur Antwort!

„Weil natürlich sind da auch Antworten zur Migration dabei und ich möchte ganz bewusst verhindern, dass, wenn ich jetzt ein Papier vorlege, das wirklich viel Arbeit war, wo viele mitgearbeitet haben, das Vorschläge macht zu allen Bereichen, dass dann Sie in der Berichterstattung, und Sie müssen das natürlich tun, nur einen Punkt, wahrscheinlich die Migrationsteile, herausnehmen, darüber groß berichten und der Rest geht irgendwie unter, darum ist das Ziel, es in drei Teilen zu präsentieren, um allen Teilen auch genug Gewicht zu geben.“

 

Schwurbelprinz in Hochform!

Wir haben verstanden, dass es erst knapp vor der Wahl ein Parteiprogramm der Liste Kurz, früher ÖVP, geben wird. Was drin steht, bleibt vorläufig ungewiss, schließlich werden in Österreich keine Inhalte, sondern Publikumslieblinge gewählt. Oder?
Aber jetzt eine andere Frage von Herrn Leitner. Was an der ÖVP noch christlich ist, möchte er wissen. Ein aufgelegter Elfer für den Schwurbelprinzen!

„Zum einen, dass jeder seine Talente einbringen soll, nicht nur für sich selbst, sondern für die ganze Gesellschaft, dass jeder auch den Auftrag hat, einen Beitrag zu leisten, dass man das auch von jedem Individuum erwarten kann und gleichzeitig, dass es notwendig ist, sich gegenseitig in einem Land zu unterstützen, füreinander da zu sein, nicht immer nur auf den Staat zu warten, sondern auch im direkten Umfeld füreinander einzutreten. Das soll heißen in der Familie, in der Familienarbeit oder auch was die Ehrenamtlichkeit betrifft. Ich glaub‘, Österreich ist deshalb so ein lebenswertes Land, wie wir das heute erleben, weil es sehr viel Ehrenamtlichkeit gibt, weil es viele Menschen gibt, die in der Familie füreinander da sind, 80 Prozent der Pflegearbeit wird zu Hause von Angehörigen zum Beispiel erledigt. Also da passiert sehr, sehr viel füreinander und das ist etwas sehr Christliches, das ist etwas, was uns ganz, ganz wichtig ist.“

Na gut, das war nicht etwas, das christliche und andere Parteien voneinander trennt. Aber wie passt das alles zur Flüchtlingsproblematik?
Herr Leitner zitiert einen ehemaligen ÖVP-Politiker, Ferry Maier. Der Mann war ein Jahr Flüchtlingsbeauftragter und urteilte über das Christliche in der ÖVP:
„Ferry Maier sei das Christlich-Soziale in der Partei verloren gegangen, nachdem er diese Aufgabe (als Flüchtlingsbeauftragter) erfüllt hatte. Worauf  führen Sie das zurück?“

Herr Kurz nickt wohlmeinend zu der Frage und antwortet:
„Dass er einfach einen anderen Blick auf die Dinge hat. Durch seine Tätigkeit sicher auch geprägt durch einen sehr stark österreichlastigen Blick und ich halt durch meine Tätigkeit als Außenminister einen wesentlich internationaleren Blick auf das Thema habe und ich hab‘ in der Flüchtlingskrise einfach immer wieder das Gefühl gehabt, dass manche, die hier sehr stark für die offenen Grenzen eingetreten sind, jetzt gar nicht das Ziel hatten, einem Maximum an Menschen zu helfen, sondern sie wollten etwas Gutes tun, sie wollten zu einem guten Stück auch ihr eigenes Gewissen beruhigen und ich stehe einfach für eine Flüchtlingspolitik, wo wir helfen, aber dort, wo wir nachhaltig helfen können und das ist bei Hilfe vor Ort und da habe ich in meiner Zuständigkeit den Auftrag gegeben, den Katastrophenfonds vervierfacht, in der Entwicklungszusammenarbeit hat Österreich zehn, fünfzehn Jahre immer nur gespart, seitdem ich Außenminister bin, ist es gelungen, dass wir die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit gerade verdoppeln. Also, ich finde, wir müssen mehr tun, diesen Menschen helfen, die schlechtere Lebensbedingungen haben als wir, und da gibt es leider unzählige, aber wir müssen es schon auch richtig machen, nachhaltig machen und da ist mein, meiner Meinung nach richtiger sozialer Ansatz, dass wir vor Ort mehr tun sollen.“

Alles klar! Ferry Maier kennt sich in der Welt nicht so gut aus, weil er bloß 20 Jahre Generalsekretär des Raiffeisenverbandes war, aber noch nie Außenminister. Daher tut er sich auch mit den christlichen Werten der ÖVP etwas schwerer als unser zukünftiger Kanzler, der schon viel in der Welt rumgekommen ist.

Der ehemalige Grüne Efgani Dönnmez, der zur Liste Kurz gestoßen ist und dort auf dem fünften Platz kandidiert, möchte allerdings gleich alle religiösen Werte, auch die christlichen, aus den Schulen entfernen, sagt Herr Leitner.
„Religionen dienen nur noch der Behübschung, Religion soll raus aus den Schulen. Und zwar jede Religion. Deckt sich das mit Ihrer Sicht, Herr Kurz?“

Eine komische Frage, aber bitte. Die Partei bin ich, meint Herr Kurz, wenn auch etwas umständlich fabuliert:
„Also er hat da sicher einen etwas anderen Ansatz als ich, aber ich hab‘ das Thema auch mit ihm besprochen und er weiß, dass ich die Linie vorgebe (so in dem Sinn: Erdogan mag ich zwar nicht, aber Orbán finde ich echt okay) und insofern haben wir das auch ausdiskutiert, denn dass der Religionsunterricht Raum haben sollte an den Schulen, und ich kann Ihnen auch erklären, warum, weil ich glaube, dass es gut ist, wenn wir als christlich-jüdisch geprägtes Land auch unsere eigene Kultur, unsere eigene Religion hochhalten und an den Schulen eine Beschäftigung damit gut tut. Zum zweiten, ein wichtiger Punkt beim gut gemachten Religionsunterricht ist, einen ordentlichen Überblick über andere Religionen zu geben. Und zum dritten, grad was den Islam betrifft, weil darüber spricht er ja, er ist ein sehr säkularer Mensch und das ist ja auch in Ordnung, was den Islam betrifft, halte ich es für sinnvoll, dass es einen islamischen Unterricht an den Schulen gibt, weil dort eine öffentliche Kontrolle möglich ist. Und wenn das in den Hinterhof wandert, in irgendwelche Hinterhofvereine, dann wird es sehr schnell gefährlich.“

 

Christlich ja, aber nicht am Sonntag?

Mehr zum Leben haben

Mehr Zeit und weniger Pension durch mehr Kurz-Arbeit?

Ein bisserl problematisch ist, was das Christ-Sein anlangt, bekanntlich die Forderung nach Sonntagsarbeit. Das möchte der zweite, noch nicht so bekannte Jungstar der ÖVP, Herr, jetzt habe ich seinen Namen vergessen, also der will jedenfalls, dass alle am Sonntag arbeiten. Also arbeiten dürfen.

Auch Herr Kurz hat dazu eine eigene Meinung!
„Also gerade in Tourismuszonen braucht’s da natürlich, ah, eine gewisse Offenheit.“

Herr Leitner unterbricht den Armen schon wieder und weist darauf hin, dass es nicht um die Tourismuszonen geht, dort darf ohnehin schon sonntags gearbeitet werden, sondern die ÖVP Wien ganz Wien sozusagen zur Tourismuszone erklären will.

Jetzt ist der Herrn Kurz aber ein bisserl böse!
„Aber ich nehme an, Sie wollten mich um meine Meinung fragen?“

Herr Leitner staunt in die Kamera und nickt. Eigentlich wollte er zwar das Programm der Kurz-Liste eruieren, aber möglicherweise ist die Meinung des Obmanns ja das Programm?

Jaja, okay, dann führ‘ ich die aus. I glaub‘, dass wir in Tourismuszonen eine noch stärkere Offenheit für die Unternehmen anbieten sollten. Wir sind ein Land, das sehr stark vom Tourismus lebt, ja, da bin ich der Meinung, dass es gewisse Bereiche gibt, nicht nur in Wien, auch in anderen Bundesländern, wo man Tourismuszonen durchaus ausweiten könnte und wo wir auch den Unternehmen ein Stück weit mehr Freiheit geben können und ermöglichen sollten, aber grundsätzlich sollten wir daran nicht rütteln.“

Also doch irgendwie, also wenn Sie mich fragen, meiner Meinung nach halt nur ein bisserl mehr Tourismuszonen. Ja? Und warum will dann der Wiener Liste-Kurz-ÖVP-Obmann in der ganzen Stadt Sonntagsarbeit erlauben?
„Dass es eine Meinungsvielfalt in einer Partei gibt, ist ja etwas Positives.“

Oder doch eher Beliebiges? Na, so konkret möchte ich nicht werden, Hauptsache, der Chef weiß, wo es lang geht.

Aber weiß es der? Naja, wie soll ich sagen. Also. Ah. Gut. Noch eine Frage.

 

Steuern senken und sparen!

Aber wie? Auch das wollte Herr Leitner wissen. Leider ohne eine Antwort zu bekommen, außer diesen.

„Also zunächst einmal die Schuldenquote. Ein sehr langfristiger Prozess. Das wird dauern. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber wir erleben ja gerade in anderen Staaten, Griechenland zum Beispiel, dass eine Überschuldung von Staaten insbesondere für sozial Schwächere ein Riesenproblem darstellt. Denn wo wird gekürzt? Bei Pensionen. Bei Sozialleistungen. Also das ist etwas, das um jeden Preis zu verhindern gilt.“

Und so weiter. Aber wo wird dann gespart?

„Komme ich dazu. Zum ersten ist ein stärkeres Wirtschaftswachstum einmal die beste Möglichkeit, dass wir auch mehr Steuereinnahmen generieren. Also wenn wir es schaffen, so zu wachsen, wie die Deutschen, ja, also vor zehn Jahren waren wir noch das bessere Deutschland, jetzt sind wir zurückgefallen, wenn wir so wachsen wie die Deutschen, dann sind das bis zum Ende der Legislaturperiode einige Milliarden pro Jahr.“

Verstehe. Ersparnis durch mehr Steuereinnahmen. Mathematisch und ökonomisch gesehen problematisch, aber politisch offenbar ein echter ÖVP-Heuler.

Aber wo, möchte Herr Leitner schon wieder wissen, wird denn gespart? Mittlerweile ist fast eine Stunde Sendezeit vergangen und ich, als einfacher Wähler, weiß noch immer nicht, was denn die neue Kurz-ÖVP eigentlich will.

Jetzt also ganz konkret, Herr Kurz ist am Wort.
„Ich würde das ja gerne tun. Wenn Sie mir eine Minute schenken, zähle ich Ihnen alles auf. Okay. Erster Punkt, stärkeres Wachstum. Zweiter Punkt: sicherstellen, dass die Ausgaben nicht über die Inflation steigen. In Summe. Wir haben einen Haufen an Staatsausgaben und es geht auch gar nicht darum, jetzt etwas einzusparen, es wird ja immer gesagt, da wird jetzt zusammengespart oder kaputtgespart, sondern es geht darum, dass die Ausgaben, unsere gesamten Staatsausgaben in Summe, nicht ständig stärker steigen als die Inflation. Das heißt, wenn wir es schaffen, dass unsere Staatsausgaben weiterhin steigen, aber nicht stärker als die Inflation, bringt das schon wieder ein paar Milliarden.“

Man kann sparen, indem man zwar immer mehr ausgibt, aber nicht mehr als die Inflation ausmacht?

Ein spannendes Konzept, das Herr Kurz nicht genau erklärt, aber irgendein Ökonom wird das schon schaffen.

Was Herr Kurz zu Grenzkontrollen und Flüchtlingsströmen sagte, war genau so konkret wie seine Aussagen zu Schulden.

Daher zum Schluss der ehemalige ÖVP-Politiker Ferry Maier im Standard-Interview vom 15. Juni 2017.

STANDARD:
ÖVP-Chef Außenminister Sebastian Kurz ist stolz darauf, die Balkanroute geschlossen zu haben. Aus Ihrer Sicht zu Recht?

Maier:
Ein Beamter des Innenministeriums hat kürzlich gemeint, die Balkanroute sei rhetorisch geschlossen worden. Fest steht, dass das Schlepperunwesen dadurch gefördert wurde. Durchlässig ist die Route noch immer. Zehn Tage nach Schließung dieser Route im März 2016 trat die Türkei-Vereinbarung in Kraft. Das war das Glück und viel effizienter, denn ohne diesen Pakt zwischen Merkel, EU und Erdogan hätte es auf der Balkanroute ein noch größeres humanitäres Problem gegeben.