Mein neues Buch bekommt einen neuen Arbeitstitel:
„Mein verlorenes Ich“ – oder doch:
„Als mein Ich verschwand“ – oder
„Der Tag, an dem mein Ich verschwand“?
Jedenfalls:
Die erste Seite der vierten Geschichte können Sie hier lesen.
Die Dini-Tant‘ ist tot
Bisher mochte ich meine Eltern. Sie sind immer da, wenn ich sie brauche. Allerdings auch sonst. Was mir nicht so gefällt. Vor allem meine Mutter. Ständig ist sie da.
Andere Kinder haben es besser. Deren Mütter sind berufstätig und tagsüber in der Arbeit. Meine ist immer da. Sie hat nicht einmal Freundinnen, die sie besucht.
Wenn ich nach Hause komme und den Schlüssel ins Schloss stecke, brauche ich ihn kein einziges Mal umzudrehen. Sie ist immer da, die Tür ist niemals verschlossen. Und der erste Satz lautet immer:
„Wie war es in der Schule?“
Ich hasse diese Frage. Wie soll es schon gewesen sein? Langweilig. Fader Unterricht und in den Pausen ein paar kleine Raufereien der Buben.
Von den Eintragungen meines Lehrers ins Klassenbuch erzählte ich lieber nichts. Aus gesundheitlichen Gründen, wie ich meinen Eltern erklärte, wenn sie bei einem Sprechtag davon erfuhren. Weil Mama sich doch so leicht aufregt.
Mein Mitgefühl wurde nicht wohlmeinend aufgenommen.
Aber ich will vom Tod der Dini-Tant‘ erzählen. Eigentlich hieß sie Leopoldine, aber ein so langer Vorname taugt nicht für eine Tante, höchstens in höheren Kreisen.