Ohne Krimi geht die Mimi

Zur Problematik von Kriminalfilmen

Schon wieder ein Mörder!

… nie ins Bett. Und so auch meine #ALF
(= AllerLiebsteFrau).
Sie mag nicht nur Bücher, sondern auch Filme, in denen diverse Kommissare oder Detektive Mördern auf die Schliche kommen.

Mich verwirren diese Filme. Das hat mehrere Gründe.

 

 

Kriminaltango

Wenn ich einen Krimi sehe, habe ich viele Probleme. Da wäre einmal die Sache mit der Logik. Warum wohnen alle diese Menschen in wunderschönen Wohnungen oder Häusern und haben nichts anderes zu tun, als einen anderen Menschen um die Ecke zu bringen?

Mag sein, dass ihnen das Geld ausgegangen ist und sie eine Versicherungssumme kassieren wollen, aber dafür bringt doch niemand in den höheren Gesellschaftsschichten jemanden um! Dort gibt es eine nahezu unendliche Vielfalt, an Geld zu kommen. Jeder halbwegs Gebildete bringt, bevor er arbeitslos wird oder sein Unternehmen in den Konkurs treibt, sein Kapital auf irgendwelchen Inseln in Sicherheit.

Tatsächlich finden ja die meisten Morde in heruntergekommenen Wohnungen jener Stadtviertel statt, die Polizisten höchst ungern betreten. Offensichtlich auch Drehteams – oder liegt es daran, dass an diesen Orten keine Möbelfirmen Produktplatzierungen vornehmen können, wie das vornehm heißt, was früher Schleichwerbung genannt wurde?

Oder die Geschichte ist derart aufgemotzt wie jener Tatort, in dem ein Gefangener ausbricht, indem er von einem anderen Gefangenen, der im Gefängnis mit Drogen handelt, die Tollwut einschleppen lässt. Alles deutet zwar auf einen Drogenboss aus Albanien hin, denn der kommt in einer Woche frei, was er nicht will, weil er in ein albanisches Gefängnis ausgeliefert wird, wo ihm der Tod droht, weil er die Nichte des dortigen Drogenkönigs erschlagen hat. Und so flüchte statt des Drogenbosses der dämonische Serienmörder, der am laufenden Band Frauen umbringt, in die Freiheit.

Ja, geht’s noch komplizierter? So viel Aufwand reicht locker für den Bau mehrerer unterirdischer  Stollen, durch die ganze Heerscharen von Kriminellen ausbrechen können.

 

Der Gärtner ist selten der Mörder

Weil ich mich innerlich weigere, solchen Handlungssträngen zu folgen, halte ich mich an eine einfache Mördersuche: den des Bekanntheitsgrades der Schauspieler.

In Deutschland gibt es rund 5.000 Schauspieler, von denen zwei Prozent von ihrem Beruf leben können.

98 Prozent werden selten beschäftigt, fallen also als Mörderinnen und Mörder vollständig aus. Keine Produktionsfirma kann es sich leisten, Unbekannte prominent ins Bild zu rücken.

Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein plötzlich auftauchender, gut bezahlter  Publikumsliebling, der nicht als Detektiv in Erscheinung tritt, der Täter ist. Wenn also ein hoch bezahlter Schauspieler, der kein Kommissar ist, um die Ecke lugt, sage ich zu meiner #ALF bereits siegesgewiss:
„Das ist der Mörder!“ (Es kann übrigens, wenn auch seltener, eine Mörderin sein.)

Auf ihre Frage, wie ich darauf komme, antworte ich:
„Weil er unter den vorhandenen Schauspielern der ist, der die höchste Gagenforderung an die Filmfirma stellen kann.“

Und ich habe mich noch selten geirrt!

 

Ein Job reicht nicht fürs Leben

Diese Aussage, die für viele junge Menschen zu einer Alltagsweisheit geworden ist, hat mittlerweile auch die Schauspielergilde erreicht. Das führt zu weiteren Kompilkationen einfacher Konsumenten wie mich.

Ich kann die Kommissare und Mörder kaum mehr auseinanderhalten!

Vor einigen Tagen wurde in einem Film ein mehrfacher Mörder gefasst und hoffentlich auch verurteilt. Allerdings war er am nächsten Tag schon wieder zu sehen, anfangs als Gefangener, was mir einleuchtete.

Im Laufe der Geschehnisse stellte sich allerdings heraus, dass er als V-Mann des Landeskriminalamtes Düsseldorf oder Wiesbaden oder wasweißich tätig war. Ein sozusagen pragmatisierter Mörder!

Damit nicht genug, die SOKO (für nicht Krimierprobte: Sonderkommission) in Stralsund hat ein Teammitglied, das unter einem anderen Namen in München arbeitet.

„Wo sind wir jetzt? In München oder in Stralsund?“, fragte ich meine #ALF, die unwillig den Kopf schüttelte. Wahrscheinlich versuchte sie, irgendeinen Sinn in dem Filmablauf zu erkennen.

„Das ist nur ein Film!“, rief sie.

„Aber in Deutschland gibt es doch Tausende arbeitsloser Schauspieler. Warum muss der arme Polizist zwischen München und Stralsund pendeln? Die könnten doch einen im Norden und einen im Süden einsetzen. Das wäre auch vom sozialen Standpunkt besser.“

Das sind jene Phasen, in denen ich gerne meine politischen Ansichten zu einer gerechten Welt, in denen die Arbeit auf alle verteilt wird, verkünde. Leider hält meine #ALF das in solchen Momenten für höchst unpassend. Ihr strenger Blick lässt mich schweigen, ich konzentriere mich notgedrungen auf die Dialoge, die Handlung verstehe ich sowieso nicht.

 

Was hat er gesagt?

Leider gibt es dabei ein weiteres Problem: Ich verstehe akustisch immer seltener, was die Darsteller sprechen. Früher passierte mir das nur bei Schweizer Schauspielern, in letzter Zeit kommen Hamburger und Sachsen dazu. Selbst meine Landsleute verstehe ich nur bruchstückhaft.

Obwohl ich bereits riesige Boxen gekauft habe, um die Lautstärke so weit zu erhöhen, dass alle Nachbarn am Krimi teilnehmen können, hilft das nichts: Es wird derart genuschelt und in unbekannten Dialekten atemlose Sätze herausgesprudelt, dass ich für Untertitel in deutscher Sprache eintrete.

Andererseits versäume ich wahrscheinlich ohnehin nicht sehr viel.
Und den Mörder  erkenne ich sowieso viel früher als meine #ALF, die hinter all diesen Geschichten nach einer verborgenen Logik sucht. Denn das ist meist vergebliche Liebesmühe.

In diesem Sinn:
eine schöne Woche euch allen – und übrigens, abends gibt es wieder einen Tatort!

Erich Ledersberger

PS: Nicht vergessen, am 26. Februar stelle ich mein neues Buch – kein Krimi! – im Kulturzentrum 7Stern vor.
Rabouge spielt, ich lese.