Der Bundespräsident im Selbstgespräch 2050

Der österreichische Bundespräsident im Selbstgespräch 2050

Der österreichische Bundespräsident im Selbstgespräch 2050

Das Archiv des Quantenmuseums („Realität und Zeit existieren nicht!“) stellt uns exklusiv das Selbstgespräch des österreichischen Bundespräsidenten aus dem Jahr 2050 zur Verfügung!

Lesen Sie selbst, was der zukünftige Präsident so gedacht haben wird. Oder hören Sie es unter Videomit Fotos untermalt. Ohne Fotos hier.

 

 

Unser Präsident 2050

Unser Präsident 2050

Verdrossen blickt der alte Mann von der Hofburg hinaus. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Früher hätte er in einem Jahr in Pension gehen können, heute muss er noch sechs Jahre bis zu seinem 70. Geburtstag warten.

Hier spricht der Präsident

Dabei hatte alles so gut begonnen. Damals, wann war das gleich? 2018? Oder 2017? Das Gehirn ist ein Hund. Ich werde langsam vergesslich. 2017 war es. Als mein Konkurrent, wie hieß er gleich? Ahja, Kern! Das waren noch Zeiten. Das Marketing funktionierte, alle sagten, was ich ihnen vorsagte. Auch das Volk war begeistert. Das Vertrauen in die Politik wuchs. Sie glaubten meinen schönen Worten.

Sogar der Heinzi hat den Mund gehalten. Naja, er war stolzer Vizekanzler und beschäftigt mit seiner späten Vaterschaft.

Davor habe ich mich immer gehütet!

Ein Politiker gehört einfach nicht nur einer Frau. Sondern allen Menschen. Das wussten  Politiker von links bis rechts. Manche trieben es im Geheimen, ich sage nur: Brandt. Oder Clinton. Bei dem wurde es schon offiziell, aber dem verzieh man das. Da war ich vorsichtiger. Politisch korrekt. Ich habe ja auch nie getrunken. Oder geraucht. Alles Laster.
Sowas gibt es bei mir nicht.
Leider.

Und jetzt bin ich zu alt dafür.

Darum war ich in meiner Jugend auch so voller Energie. Ich habe die Balkanroute geschlossen und es geschafft, dass NGOs mit Schleusern gleichgesetzt wurden. War natürlich etwas unter der Gürtellinie. Aber was soll’s, Politik ist nichts für Weicheier.

Wie oft ich damals im Fernsehen war! Es war ein Traum. Alle lagen mir zu Füßen. Sogar auf das Cover der Newsweek habe ich es geschafft. Der Artikel war zwar etwas kritisch, aber Hauptsache, man kannte mich nun auch in den USA.

Daheim lief alles prächtig. Ja, der Bertl war ein Problem. Dabei haben wir ihn alle für einen intelligenten Rechtsradikalen gehalten. Und dann das! Ein Fehler nach dem anderen.
Erst die Sache mit den Pferden.
Dann setzt er sich noch auf eines drauf!

‚Der schaut ja aus wie der Aff‘ am Schleifstein‘, hat meine Mama gesagt. Sie hatte immer so anschauliche Sprüche auf Lager. Die kennt die heutige Jugend nicht mehr. Schade. Und dann der Überfall auf den Verfassungsschutz! Das war ziemlich peinlich. Den hat er nur noch durch den Sprung mit dem Fallschirm übertroffen.
Ein Tandemsprung mit einem Cobra-Polizisten.
Am Foto schaut es aus, als ob der Polizist den Bertl wie ein Baby am Bauch tragen würde.
Wie kann ein Mensch sich nur so erniedrigen.

Naja, immerhin hat er die roten Gfrieser, wie der Altschwarze aus Tirol die Sozis nannte, aus allen Positionen entfernt. Das muss man ihm zugutehalten. Bloß waren seine Leute, die er eingesetzt hatte, ziemlich nervend. Von nichts keine Ahnung, aber immer bereit, Unsinn von sich zu geben.
Die FPÖ hatte ja immer Personalprobleme. Burschenschafter hin oder her, die intelligentesten sind das sicher nicht. Das ständige Biertrinken vernebelt das Hirn noch mehr als das Fechten.

Das haben sie bei der nächsten Wahl selbst gemerkt. Wann war die? 2022? Oder später? Ist auch egal, ich wurde bei den nächsten Wahlen wieder Bundeskanzler.

Man sagt ja, viel Feind, viel Ehr. Aber ich hatte gar keine Feinde! Bei den Roten kämpften machtgeile Funktionäre gegen eine Minderheit von Idealisten und die Grünen wussten sowieso nicht, wofür und wogegen sie sein sollten.

Die waren echt köstlich. Zuerst verabschiedet sich die Anführerin von der Partei und geht zu einem Spieleautomatenhersteller, dann stimmen die Wiener Grünen gegen Beißkörbe für Kampfhunde. Nachdem ein Kind von so einem Vieh umgebracht wurde! Ein aufgelegter Elfer für uns, wie man so sagt.

Viel Ehr ohne viele Feinde also.

Machte mir nichts aus. Schließlich hatte ich dadurch freie Hand für meine türkisen Reformen. Die gingen sowas von ruckizucki durch. Unglaublich, wenn ich daran zurückdenke.

Beim nächsten Mal gingen die Wahlen schon ein bisschen schlechter aus. Da habe ich zu meiner Freundin gesagt, vielleicht ist es jetzt Zeit, dass wir ein Kind bekommen.
Marketingmäßig wäre das ein günstiger Augenblick.

Sie hat gesagt, jetzt sind wir schon ein bisschen alt dafür.
Ich glaube, sie hat sich gemeint.
Ich war ja noch jung.
Ich war eigentlich immer jung, sogar bei den nächsten Wahlen. Schon wieder Bundeskanzler! Sogar ohne Kind.

Ich weiß nicht, was mit diesem Volk los ist. Intelligent kann es nicht sein sonst hätte es mich nicht schon wieder gewählt. Wie alt war ich damals? 46?
Und ich trank noch immer keinen Wein und nahm noch immer keine Drogen. Das macht müde. Und nachdenklich. Ein schwerer Nachteil für einen Politiker meines Kalibers.

Der Heinzi hat sich damals schon mit seinem Sohn und seiner, wie hieß sie gleich? Egal, mit seiner Frau nach Ibiza aufgemacht. Seither ist er noch fülliger geworden.
Ich weiß nicht, wie die das mit ihm aushält. Ihr Freund soll ja recht nett sein, vielleicht hilft das. Mir ging der Heinzi schon immer auf die Nerven. Und ich musste immerhin nicht mit ihm frühstücken.

Eigentlich wollte ich immer EU-Präsident werden. Ich habe nicht erwartet, dass die EU sich so schnell auflöst. Großbritannien war ja nur der Anfang.
Der Abgang Italiens war schon ein größeres Problem.
Die Slowakei, Polen und Ungarn wollten plötzlich bleiben. Die haben sich gedacht, solange wir uns an die Deutschen anlehnen können, geht’s uns wenigstens wirtschaftlich gut. Das Konzept haben sie von mir übernommen, aber irgendwann hat’s den Deutschen gereicht.
Jede Lokomotive wird müde, selbst eine deutsche.

Auch bei uns ging’s wirtschaftlich allmählich bergab. Die internationalen Konzerne waren undankbar. Dabei hatten wir ihre Steuern bis zur Unkenntlichkeit reduziert.
Aber plötzlich hieß es, dass andere Staaten gar nichts verlangten und auch noch die Infrastruktur zur Verfügung stellten.
Gratis!
Das konnten wir uns nicht leisten, wir hatten ja viel zu wenige Steuereinnahmen.

Was blieb mir übrig, außer mich zum Bundespräsidenten wählen zu lassen. Bei den Nationalratswahlen wären irgendwelche Namenslisten von Millionären an meinen Türkisen vorbeigezogen. Das Volk glaubte plötzlich, dass Milliardäre ihre Pensionen und Krankenhäuser finanzieren würden.
Wie gesagt, ich habe das Volk nie für sehr klug gehalten.

Darum wurde ich Bundespräsident. Da hast du nicht viel zu sagen, darfst aber immer sehr weise sein. Das kann ich gut. Irgendwie wirke ich noch immer vertrauenswürdig, keine Ahnung, warum.

Mein größtes Problem ist ja, dass ich kaum mehr aus Österreich rauskomme. Der Zaun rundherum macht mir zu schaffen. Alle gut ausgebildeten Menschen sind schon geflüchtet aus unserem schönen Österreich. Und jetzt kommen nicht mal mehr Migranten, die unseren Wohlstand erhalten könnten. Es ist eine Tragödie.

Ich war der jüngste Bundeskanzler aller Zeiten! Die Hoffnung der Konservativen. Überall wurde ich gelobt.
Wie lange war ich eigentlich Bundeskanzler? Länger als der Kreisky. Das muss mir erst einer nachmachen! Aber irgendwie machte es in den letzten Jahren keine Freude mehr.

Manchmal frage ich mich, ob mir das je Freude gemacht hat. Ständig nach Kameras Ausschau halten, freundlich grinsen und die Hände vor den Bauch halten. Ist das ein Beruf für einen erwachsenen Menschen? Ich hätte mein Studium abschließen sollen. Dann hätte ich vielleicht etwas Sinnvolles machen können.

Jetzt ist es zu spät. Noch ein paar Jahre Bundespräsident, dann gehe ich in Pension und werde den Ehrenschutz für diverse Veranstaltungen übernehmen. Wie damals der Heinzi Fischer.

So habe ich mir das Alter nicht vorgestellt.

Naja, shit happens, wie man so sagt.

Die Mama würd‘ sagen:
‚Des Lebm is zum Krenreibn.‘

Wahrscheinlich hat sie Recht.