Mit Freude habe ich vernommen, dass eine Band namens „Lauwarm“ (!) ihr Konzert mit Reggae-Liedern abbrechen musste.
Es sei ein imperialistisches Verbrechen, die Kultur anderer Völker anzunehmen.
Schon im März nahm sich die Hannoveraner Ortsgruppe der Fridays-forFuture-Gruppe des brennenden Themas an und lud die Sängerin Ronja Maltzhan aus, weil sie Dreadlocks trug.
Korrekt, jetzt aber echt!
Mitte der 1980er Jahre wandten sich Studentinnen und Studenten gegen Pflichtkurse „zur westlichen Zivilisation … gemeint waren vor allem Philosophen der Aufklärung“. So steht es in Wikipedia.
Und weiter:
„Seit Beginn der 1990er-Jahre wurde der Ausdruck von einer reinen Selbstbeschreibung zunehmend auch zu einem Kampfbegriff der politischen Rechten in den USA. Konservative Studenten, Akademiker und Journalisten übernahmen die Bezeichnung und wandelten sie in eine Chiffre zur Ablehnung linker Antidiskriminierungsbemühungen; US-Konservative verwenden sie seit den 1990er-Jahren in politischen Zusammenhängen in Auseinandersetzungen mit ihren politischen Gegnern.“
Und so ist es nur folgerichtig, wenn in Bern das Konzert von „Lauwarm“ abgebrochen wurde, weil Personen sich beim Veranstalter beschwerten. Sie haben sich unwohl gefühlt und bei „Lauwarm“ handle es sich um eine Band, die kulturell Aneignung betreibt.
Das ist ebenso empörend wie die Jodler, die ein Japaner im Internet von sich gibt. Das ist Kolonialismus pur und wir alle sollten solidarisch dagegen protestieren!
Das Friesentum
Ein kleines Problem ergibt sich durch die Wiederbelebung des Friesentums. Der Verein Sölring Foriining lässt das alte, friesische Sylt wieder aufleben, um ein Gefühl für das Friesentum zu bekommen. Die stellvertretende Vorsitzende erzählt, dass die Friesen unter anderem weltoffen sind, respektvoll und gerne Marionettentheater spielen.
Tja, was machen wir jetzt? Wenn wir respektvoll und weltoffen sind, eignen wir uns die Kultur der Friesen an! Ein imperialistischer Skandal!
Wenn wir hingegen engstirnig und kleinlich sind, stehlen wir wiederum den beleidigten Besuchern des „Lauwarm“-Konzerts ihre Identität!
Was also tun bei solchen Themen? Am besten verzweifeln.
Bis in 14 Tagen
Ihr/euer
Erich Ledersberger