Der Einstieg für Edwin (Radnitzky) war ein Zitat, in dem eine Prinzessin ein Ei in die Luft warf. Hier die Fortsetzung
Unter Sternen
Sie warf ein gekochtes Ei in den Sternenhimmel, und es blieb oben hängen als leuchtender Mond. Sie mochte keine harten Eier.
Die Sterne lachten sich kaputt über den neuen Winzling. Manche zerbarsten dabei in tausend Teile und zischten fortan als Kometenschweif durch das Weltall.
Das Ei war beleidigt.
„Ihr Glühwürmer“, rief es den Sternen zu. „Ich könnte euch Dinge von der Erde erzählen, die ihr euch in Millionen von Jahren nicht vorstellen könnt!“
„Millionen! Habt ihr gehört?“ lachten die Sterne im Chor, aber sie rückten ein wenig näher. „Sag schon, wo kommst du her, und wen umkreist du, Säugling?“
„Ich komme von der Erde und gehöre einer Prinzessin, die ich beleuchten soll. Immer wenn sie in den Himmel schaut, denkt sie an mich und weint, weil sie mich nicht verspeist hat.“
„Komisch“, lispelte Sirius, „ich strahle doch tausendmal heller als du, aber mich wollte noch keine Prinzessin essen.“
„Weil du vom Fressen keine Ahnung hast“, ließ sich das Schwarze Loch vernehmen.
„Und wie ist es so auf der Erde, heiß?“ fragte der Polarstern.
„So viel habe ich wieder nicht von ihr gesehen“, gestand das Ei kleinlaut. „Ich fiel aus dem Steiß einer Henne geradewegs in einen Topf mit kochendem Wasser. Da bekommt man nicht allzu viel mit von der Erde.“
„Ich höre nur Wasser, Steiß und Henne“, ereiferte sich Ganymed, „alles unnützes Zeug. Was unsereins braucht, ist kalter Stein oder heißes Gas, je nach Temperament. Wen sie uns da herauf schicken in den letzten Jahrmillionen, nichts als labbrige Materie wie dich, du Weichei! Es ist eine Schande!“
„Ich wollte, ich wäre eines; ich bin aber ein hartes Ei“, piepste das Ei.
„Umso schlimmer, nicht einmal elastisch ist er!“ riefen die Sterne. „Sieh mal, wie dynamisch wir sind, wir bewegen uns täglich!“
„Aber…“ Der Einwand des Eies verhallte ungehört, die Sterne hatten sich bereits in die große, weite Leere aufgemacht.
Das Ei blieb traurig zurück und erlosch.
Die Prinzessin wurde darob so wütend, dass sie alle Hennen im Land aufspießen und braten ließ. Da ihr Zorn immer noch riesengroß war, stürzte sie sich in den Schlossteich, in dem sich die Sterne spiegelten.
Die Wellen kreisten; achtlos dehnte sich das Universum.
© Edwin Radnitzky