Heuer haben die Genossinnen und Genossen keinen Grund zum Feiern und das Lied von der internationalen Solidarität wird ihnen schwer über die Lippen gehen.
Schließlich fällt schon die nationale Solidarität schwer genug.
Von der parteiinternen ganz zu schweigen.
Vorwärts und nie vergessen?
In einem seltsam anmutenden Versuch von Einigkeit traten Bundeskanzler Faymann und Bürgermeister Häupl vor die Kamera und versicherten, dass es in der SPÖ keine Personaldebatte geben wird.
Die Partei sei eben groß und vielfältig, da gäbe es unterschiedliche Meinungen, wie auch „in einem Tennisklub“, wie der Bundeskanzler mit einer Analogie aus dem Sportbereich verdeutlichte. Punkt, Satz und Sieg dahin, möchte man ergänzen.
Es war ein merkwürdiges Bild, das sich den Zuschauerinnen und Zuschauern da bot und irgendwie keimte in mir etwas wie Mitleid auf.
Und dann dachte ich an die vergangenen Jahrzehnte, in denen diese Partei Schritt für Schritt und selbst gewählt auf den Abgrund zuging.
Historische Blitzlichter
Mit Bruno Kreisky sprang das katholisch-spießbürgerliche Österreich in die Gegenwart des 20. Jahrhunderts. Die konservative ÖVP versuchte noch 1970 mit merkwürdigen Werbesprüchen ihre absolute Mehrheit zu halten, die bekannteste lautete:
„Josef Klaus, ein echter Österreicher.“
Schließlich war Bruno Kreisky jüdischer Herkunft, wenn auch nicht gläubig, aber jedenfalls kein echter Österreicher. Was immer das bedeuten sollte.
Österreich war reif für eine Überwindung des kleinbürgerlichen Schrebergartens.
Österreich wurde tolerant und weltoffen
Die SPÖ schaffte 1970 die relative Mehrheit, danach die absolute. Es war eine Zeit des Aufbruchs und der Reformen. Hier nur ein Auszug:
- Frauen mussten nicht mehr ihre Ehemänner fragen, ob sie einen Beruf ausüben durften oder nicht.
Das geschah tatsächlich erst 1975, bis dahin musste jede österreichische Frau ihren Mann um Erlaubnis fragen! - Schulbücher gab es nun gratis, ebenso wie Fahrten von Kindern in ihre Schulen – jener Bauer, bei dem wir damals Urlaub machten, sagte:
„Ich bin kein Sozialist, aber der Kreisky hat unseren Kindern Bildung ermöglicht. Deshalb wähle ich ihn auch.“ - Homosexualität und Ehestörung wurden nicht mehr als kriminelle Handlungen aufgefasst.
Tatsächlich konnten bis 1975 Menschen verurteilt werden, wenn sie „Ehen störten“ oder Menschen des gleichen Geschlechts liebten. - Uneheliche Kinder wurden nun ehelichen gleich gestellt, bis dahin waren sie zum Beispiel vom Erbe der Eltern ausgeschlossen.
Damals war die SPÖ jene Partei, die von der Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher aus guten Gründen gewählt wurde.
Oliver Rathkolb fasste das so zusammen:
„Wie bei keinem Kanzler der Zweiten Republik vor ihm sprachen alle internen politischen Strukturbedingungen gegen Kreisky, aber alle sozialen und internationalen Trends für ihn.“
Das Elend der Sozialdemokratie
Auf Kreisky folgt ein kluger Mann aus dem Burgenland, Fred Sinowatz. Er war einer der letzten Unterrichtsminister, die von ihrem Aufgabengebiet etwas verstanden. Leider musste er Bundeskanzler werden, eine Aufgabe, die ihm über den Kopf wuchs.
Seine Aussage – „Ich weiß, das ist alles sehr kompliziert“ – traf zwar die Wirklichkeit, war aber für einen österreichischen Bundeskanzler damals (wie übrigens auch heute) keine gute Werbung.
Der kluge Mann trat zurück – und es folgten die Vertreter der Wirtschaft.
Dass heute der ehemalige Finanzminister und Vizekanzler Hannes Androsch als hochbetagter „Linker“ in der SPÖ gilt, ehrt ihn zwar, ist aber gleichzeitig ein erschütterndes Zeichen dafür, wo die SPÖ heute steht.
Gegen solchen allmählichen und jahrelangen Verfall sozialdemokratischer Werte hilft nicht einmal der Wiener Bürgermeister Häupl als letzter offizieller Vertreter von Solidarität.
Und wenn dann behauptet wird, es gehe ausschließlich um Strukturen und nicht um Köpfe, dann staunt nicht nur der Laie, sondern auch der Fachmann wundert sich.
Strukturen werden von Menschen geschaffen.
Und Strukturen verändern Menschen.
Das eine ohne das andere geht nicht.
Wer sich dieser Erkenntnis verweigert, landet schließlich dort, wo die SPÖ auch am 1. Mai hinsteuert: im Abgrund.