Mein Lieblingssender Ö1 hatte vor einigen Tagen eine Sendung zum Thema „Diskriminierung im Alter“ im Programm. Die habe ich nicht gehört, wohl aber die Reaktionen einiger Hörerinnen und Hörer.
Seither fühle ich mich auch diskriminiert! In guter, alter österreichischer Tradition: Ich bin ein Opfer.
Immer auf die Alten!
Bisher war mir gar nicht bewusst, wie sehr mein Alter mich diskriminiert. Seit einigen Kommentaren zu einer Ö1-Sendung bin ich klüger geworden. Es ist unglaublich, wie mit uns als Minderheit – noch sind wir eine, aber nicht mehr lange! – umgegangen wird.
Ein Anrufer erzählte zum Beispiel, dass er mit 65 Jahren pensioniert wurde, weil das so im Gesetz steht. Ein Skandal!
Auch wenn, wie ich insgeheim vermute, die meisten Menschen diese Ankündigung erleichternd zur Kenntnis nehmen, ist das irgendwie: diskriminierend!
Eine andere Anruferin fühlte sich ebenfalls diskriminiert, weil sie beim eher langsamen Einparken von einer Fahrerin als Pensionistin bezeichnet wurde. Offenbar ein Schimpfwort, wobei ich in diesem Fall dafür plädiere, mit dem Satz zu antworten: „Nur kein Neid, junge Frau!“
Denn schließlich kostet die Jahresnetzkarte für Pensionisten in Wien statt € 365,00 nur € 235,00, die Jahresnetzkarte für über 65Jährige in Tirol statt € 490,00 nur € 250,00 und für Menschen über 75 Jahre € 125,00.
Das ist übrigens eine besonders perfide Benachteiligung (= Diskriminierung) von älteren Menschen, deren Sinn ich bloß noch nicht durchschaue.
Der Neid der Jungen
Eine weibliche Anruferin – sie gab ihr Alter mit 50 Jahren an – meinte zwar, es handle sich dabei um eine Bevorzugung von uns Alten, ebenso wie die Tatsache, dass wir günstigere Eintrittspreise in Museen bekommen. Das ist selbstverständlich auch eine Diskriminierung!
Ebenso wie die Unterbringung in Pflege- und Seniorenheimen, die mit Steuermitteln subventioniert werden und im Vergleich zu den Heimen des vorigen Jahrhunderts wie Hotels geführt werden. Vermutlich wollen die Betreiber uns Alten (vulgo Senioren) suggerieren, wir seien eh noch rüstig.
Nachdem ich die Anruferinnen und Anrufer gehört habe, fühle ich mich endlich auch als Opfer.
Und als solches geht es mir gleich viel besser.
Früher war ich bloß ein in die Jahre gekommener Mensch, nun werde ich diskriminiert!
Als mir vor wenigen Tagen ein junger Mann in der Straßenbahn einen Sitzplatz angeboten hat, habe ich ihm daher sofort eine Ohrfeige verpasst. Schließlich will ich nicht in aller Öffentlichkeit als alter Mensch diskriminiert werden.
Der Mann hat die Polizei geholt und ich erhielt eine Anzeige wegen Raufhandels.
Diskriminierend!
Eine schöne Woche wünscht allen dennoch
Ihr/euer Erich Ledersberger