Auf meinem Lieblingssender #Ö1 gab es ein Salzburger Nachtstudio zu Joseph von Sonnenfels, einem Österreicher mit böhmischem Migrationshintergrund. Der Mann war begeisterter Aufklärer und Anhänger der Gelehrtenrepublik.
Ich muss feststellen: Im Laufe der Jahre entwickeln wir uns hin zur Geleertenrepublik.
Vorwärts! Zurück!
Seit einigen Wochen gibt es in Österreich eine „neue“ Regierung, die mit einem „neuen“ Stil agiert. So lauteten die Wahlversprechen und bei den Pressekonferenzen während der Koalitionsverhandlungen hatte man das Gefühl, die beiden Herren würden mit einem Zungenkuss den Koalitionsvertrag beschließen.
Das ist politisch selbstverständlich nicht korrekt ausgedrückt, aber mir fiel kein besseres Bild für die neue Regierung ein.
Den Versprechungen folgte auf dem Fuß die Wirklichkeit – und die ähnelt der Vergangenheit, nämlich den 1950er Jahre. Bestenfalls.
Ursprünglich sollte es, wie in nahezu allen Ländern Europas, ab Mai 2018 auch in Österreich vulgo #Kakanien ein Rauchverbot in allen Gasthäusern geben. Die #FPÖ, die Partei des kleinen Mannes und großen Rauchers, kämpfte wacker dagegen an. Der kleine Österreicher darf nicht durch Zwangsmaßnahmen einer links-linken Kommunistenregierung um seinen Lungentumor gebracht werden.
Diese Argumente beeindruckten die „neue“ #ÖVP derart, dass vereinbart wurde, dieses Rauchverbot, für das man einst gestimmt hatte, wieder aufzuheben.
Kaum aber war die Parole „Österreichs Gasthäuser stinken straffrei“ im Koalitionspakt verankert, schon musste die ebenfalls vereinbarte Rauchersteuer zurückgenommen werden. Geplant war nämlich eine „Abgabe pro Verabreichungsplatz im Raucherbereich pro Monat“ einzuführen, „dessen Einnahme für präventive Maßnahmen zu verwenden ist“. (Kurier)
Die Sprengkraft dieser österreichisch-originellen Formulierung wurde von der „neuen“ Koalition unterschätzt. Abgesehen davon, dass es Heerscharen von Kontrollorinnen und Kontrolloren gebraucht hätte, waren die Wirte empört über diese zusätzliche Steuer.
Also zurück an den Start: Stinken in Gasthäusern ist erlaubt und Schluss!
Leider nicht, denn immer mehr Menschen finden es praktisch, nicht als nikotin-verseuchte Stinkbomben durch die Gegend zu schlendern, selbst wenn sie nicht rauchen. Innerhalb weniger Tage haben mehr als 140.000 Menschen (Stand am 22. Februar: 315.000, stand am 3. März: 468.000) für das Volksbegehren „Don’t smoke“ unterschrieben.
Offenbar sind viele Österreicherinnen und Österreicher des Englischen mächtig, ich mag mir gar nicht vorstellen, wie viele unterschrieben hätten, wenn es „Nicht rauchen“ genannt worden wäre, oder gar, weil negative Texte angeblich abschrecken, „Gute Luft“.
Die #FPÖ bezieht sich gerne auf Volkes Stimme, aber dieses Volksbegehren ging der Partei zu weit!
Die Ungesundheitssprecherin der #FPÖ hält das Volksbegehren daher für eine fiese Taktik der Opposition.
„Die SPÖ hat das Volksbegehren gemeinsam mit der Ärztekammer, an deren Spitze auch ein SPÖler steht, seit Wochen auf Knopfdruck vorbereitet, sodass sogar der Server des Innenministeriums zusammengebrochen ist.„
So sind sie, die Sozis! Nicht einmal die Computer sind vor ihnen sicher.
Noch dazu haben sie sich mit dem ehemaligen #ÖVP-Gesundheitssprecher verbündet, ein besonders hinterhältiger Schachzug. Der meinte ja im Profil:
„Die Leuchttürme der neuen Regierung sind zum Fürchten.“
Weitere Projekte der Regierung
Die „neue“ Regierung mit den alten Weltvorstellungen hat nämlich noch viele weitere „Leuchttürme“, die sie erbauen will, etwa die berittene Polizei in Wien. Mein Vorschlag, dafür die Lipizzaner zu verwenden (siehe Kolumne 21. Jänner 2018) wurde allerdings bisher nicht in Erwägung gezogen.
Dann wäre da noch die Erhöhung des Tempolimits auf Österreichs Autobahnen, damit es mehr Staus und einen höheren Benzinverbrauch gibt.
Und selbstverständlich: Noten ab der ersten Volksschulklassen und höhere Strafen im Sexualstrafrecht. Beides Maßnahmen, die entweder falsch (Noten) oder sinnlos (höhere Strafen) sind, findet sogar die Kronenzeitung.
Aber das macht nichts, die Bevölkerung ist abgelenkt und bemerkt nicht, wie andere Themen wie Butter durchgehen.
Fehlt nur noch die Forderung nach „mehr Panzern und weniger Denkfabriken“, die der polnische Ministerpräsident vor kurzem äußerte.
Die Geleertenrepublik ist nicht nur in Österreich vulgo #Kakanien daheim, sie breitet sich derzeit in ganz Europa aus.
Alice Weidel von der AfD, der Fraktionspartnerin der #FPÖ im EU-Parlament, behauptet etwa, dass der gerade aus türkischer Haft freigelassene deutsche Journalist Deniz Yücel „weder Deutscher noch Journalist“ sei. Dümmer geht ümmer scheint der Leitspruch der Fraktion ENF zu sein.
Dort versammeln sich Parteien wie die deutsche AfD, der französische FN (Front Nationale), die italienische Lega Nord und – die #FPÖ.
Diese Partei stellt den österreichischen Vizekanzler Strache und der schießt sich auf den öffentlich-rechtlichen Sender #ORF ein und bezeichnet den Journalisten Armin Wolf als Lügner. (Was der Herr Vizekanzler aber satirisch gemeint haben will.)
Das Muster ist bekannt:
Rechte Parteien verunglimpfen die Medien als „Lügenpresse“ und bauen im Internet ein Schattenreich auf, in dem es statt Fakten Verschwörungstheorien „gegen das Volk“ gibt. Oberstes Ziel dieser Herren (und einiger Damen): die Zerstörung der EU und der Demokratie.
Noch ist es nicht so weit. Vielleicht hat die Menschheit aus der Geschichte gelernt und die „leise Stimme der Vernunft“ (Sigmund Freud) gewinnt. Sicher ist das nicht.
In diesem Sinn:
genießen Sie bzw. genießt alle die nächsten Tage der Menschheit
Ihr/euer
Erich Ledersberger