Eine Weihnachtsgeschichte

Weihnachtsmann, günstig!

Weihnachtsmann, günstig!

Meine #ALT (= AllerLiebsteTochter) wurde von mir – soweit das in einem christlich-katholischen Land wie Österreich geht – in weitgehender Abstinenz des lieben Gottes erzogen.

Das ergab keine großen Probleme, wenn man von diversen Fragen, etwa zu Weihnachten, absieht.

 

 

Darf ich das?

Das Leben ohne Esoterik ist recht einfach, auch mit einem kleinen Kind.

Als Agnostiker mit Religionshintergrund kamen mir die vielen Hinweise auf den lieben Gott, der alles regelt, die Guten belohnt und die Bösen bestraft, höchst überflüssig vor. Meine Tochter sollte sich später auf niemanden ausreden können, sondern selbst denken und selbstverantwortlich leben. So strich ich Wörter und Sätze, die in manchen Liedern auf ein höheres Wesen namens Gott hindeuteten und ersetzte sie durch neutrale Begriffe.

Aus einer Strophe des wunderschönen Liedes „Guten Abend, gut‘ Nacht“, die da lautete:
„Morgen früh, wenn Gott will,
wirst du wieder geweckt“

wurde in meiner gottlosen Version:
„Morgen früh, wenn du willst,
wirst du wieder geweckt.“

Beim Abendlied von Mathias Claudius strich ich die Strophen vier bis sechs und dichtete in der siebenten:
„So legt euch denn, Geschwister,
in meinem Namen nieder (ich war abends meist sehr müde, was Eltern nachvollziehen können);
kalt ist der Abendhauch.
Verschont uns auch mit Strafen,
und lasst uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbarn auch!“

Klappte alles wunderbar. Ein paar Kompromisse musste ich allerdings eingehen, etwa das Weihnachtsfest, eigentlich ein Relikt aus heidnischen Zeiten. Die Christen verboten es einst, aber weil alle Menschen ungeniert weiter die Sonnenwende feierten, erklärten sie den Tag zur Geburt von Jesus.

Im Dezember wurden also, wie in allen Patch- und sonstigen Familien rundherum, Kekse gebacken, ein Baum gekauft und der Besuch eines überfüllten Weihnachtsmarktes ließ sich auch nicht vermeiden. Selbstverständlich kauften meine #ALT (AllerLiebsteTochter) und ich Geschenke für Freunde und Verwandte.

Zur Bescherung schmückte ich den Baum, klingelte und meine #ALT stürmte herein. Sie freute sich über die Geschenke, die unter dem Baum lagen. Sie waren von Oma und Opa, von Mama und Papa und von anderen Verwandten.

Im ersten Jahr des Kindergartens gab es plötzlich ein Problem für meine #ALT.

In der Vorweihnachtszeit herrschte auch dort die übliche Aufregung und meine Tochter erfuhr von Gleichaltrigen, dass demnächst das Christkind kommen würde. Ich hatte sie bereits früher darüber informiert, dass es das Christkind nicht gäbe, es aber eine nette Idee sei, Kindern an diesem Tag etwas zu schenken. Offensichtlich verdichteten sich die Aktivitäten um das Christkind herum derart, dass meiner Tochter es nötig schien, ihre Freundinnen aufzuklären.

„Papa“, sagte sie knapp vor Weihnachten. „Alle in meiner Gruppe glauben, dass sie vom Christkind Geschenke bekommen. Soll ich ihnen sagen, dass es das Christkind gar nicht gibt?“

Da stand ich also ziemlich dumm da mit meiner Aufklärung. Sollte meine #ALT zur Außenseiterin werden? Das wollte ich nicht. Wie aber sollte ich erklären, dass sie schweigen sollte? Oder gar sagen, dass das Christkind auch zu ihr kommt? Sozusagen lügen? Das ging schon gar nicht. Wie sollte ich das Problem bloß lösen?

Ich begann zu stottern:
„Nein, mein Liebes. – Das ist jetzt nicht so gut. – Lass sie sich einfach freuen auf ihre Geschenke. – Später werden sie schon draufkommen, dass es das Christkind gar nicht gibt.“

Meine #ALT sah mich altklug an und nickte. Manchmal war sie klüger als ich erwartete.

„Dann sage ich halt nichts.“
Sprach’s und ging dahin zu ihrem Spielzeug.

Erziehung, dachte ich, ist manchmal viel einfacher als befürchtet.
Meistens ist es umgekehrt.