Die Liebe in Trient

Auszug aus „Maria fährt.“

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«Wollen Sie tanzen?»
Maria erschrickt, als der Mann vor ihr steht und in schönem, beinahe akzentfreiem Deutsch seine Frage stellt.

 

 

Sie schüttelt den Kopf und steht auf, will fliehen.
Das kann sie gut, das hat sie ihr Leben lang getan.
Er öffnet die Arme, als wolle er hier, neben dem Tisch, den ersten Schritt mit ihr machen. Seine dunklen Augen heften sich an ihre, lassen sie nicht los, flirren nicht von links nach rechts, ruhen fest in ihrem Blick.

Ein unvermutetes Erkennen blitzt auf in ihrem Kopf. Sie kennt diesen Blick und bevor sie weiter denken kann, hat der Mann ihre Hand genommen und sie lässt es geschehen.
Die Musik ist leise geworden, einige Pärchen tanzen, Maria schließt die Augen und hält ihren Kopf nahe an seine Wange.

Bin ich von Sinnen? Ich bin beinahe 60, gehe in eine Bar, tanze mit einem Fremden und lehne mich an ihn, als kenne ich ihn seit Jahren.

Der Mann hält sie fest, die Musik wird schneller, Marias Gedanken taumeln im südlichen Rhythmus, sie fliegt, fliegt fort, hinauf in den Himmel, wo die Bäume hinwuchsen, damals, mit siebzehn, als sie noch Träume hatte und den Himmel der Liebe.

«Christian!» flüstert Maria in jähem Wiedererkennen und sieht seine Augen.
Der Mann lächelt.
«Marco, nicht Christian. Aber ich wäre gerne ihr Christian. Er ist sehr zu beneiden.»
«Entschuldigen Sie, ich muss hinaus.»

Draußen ist die Luft warm, der Himmel sternenvoll. Sie atmet aus, versucht, ruhig zu sein. Sie ist kein Mädchen mehr.
Ein Oleanderbusch wächst üppig aus einem Garten, daneben ein Rosenbusch mit weißen Blüten. Sie nimmt eine und riecht daran.
«La Biancaneve. Wie sagt man auf Deutsch? Schneewittchen. Sie duftet kaum, aber sie blüht das ganze Jahr, ihr ganzes Leben lang. Wie Sie, Signora.»