Alte Menschen wie ich erinnern sich vielleicht an Peter Zadek, dessen erster Film ‚Ich bin ein Elefant, Madame‘ lautete. Das ist keine Reprise darauf, bloß eine sachliche Erörterung zum Thema Kleingarten.
Die Aufregung mancher Medien über Umwidmung von Kleingärten bedarf einer sachlichen Ergänzung.
Der Kleingartenspekulant
Die herrschenden Medien, also die Medien der Herrschenden, gefallen sich derzeit darin, die Sozialdemokratie als besonders verdorbenen Haufen von Spekulanten hinzustellen. Allerdings können nicht nur ein Bezirksvorsteher und mehrere Genossinnen und Genossen sich über Gewinne freuen, sondern tausende Schrebergärtner: Geld verdienen ohne zu arbeiten! Das entspricht doch der Mentalität des Wirtschaftssystems. An vorderster Front – das ist allerdings mehr als beschämend – sozialdemokratische (?) Politiker und Politikerinnen.
Aber was ist daran neu? Seit Jahrzehnten geschieht Ähnliches permanent auf Gemeindeebene. Die Umwidmung von Landwirtschafts– in Bauland gehört zu den beliebtesten Geschäftigkeiten der Kommunalpolitik.
Wenn ein Bauer zu viel Geld im Casino verloren hat, verkauft er ein Stück seines Landes, erzählt man sich in ländlichen Idyllen. Das gilt selbstverständlich nur für Großbauern, die kleinen haben zu wenig Land für solche Spekulationen. Aber dort funktioniert das Spiel seit Generationen. Und jetzt will das Kleingärtnertum das gleiche Spiel spielen? Geht gar nicht, sagen die Medien.
Ja, der Vorgang ist widerlich. Aber er entspricht ganz dem Wesen der Wirtschaftsordnung, ausgeübt vorwiegend von ÖVP-Bürgermeistern.
Neurosental
Der Name ist Realität, es fehlt nur der Bindestrich zwischen Neu und Rosen. Mir gefiel das Fehlen des Bindestrichs. Als ich einmal sagte, dass ich ‚Neurosental‘ als Name eines Schrebergartenvereins lustig fand, sah mich der Vizeobmann erstaunt an. Was ich damit meinte, fragte er. Ich schwieg vornehm.
Nach vielen Schwierigkeiten erwarb ich dennoch einen Kleingarten im Neu-Rosental. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Hürden es gab, bis ich endlich stolzer Besitzer eines Gärtchens gegenüber von Steinhoff war. Die Vorbesitzerin, eine alte Dame, der der steile Garten zu viel geworden war, wollte ihn mir gerne geben. Aber da war noch der Verein samt seinem Vorsitzenden. Und etlichen Beisitzenden. Es folgten Verhöre durch den Vereinsvorstand, aber irgendwann hatte ich es geschafft.
Möglichweise fiel es dem Bezirksvorsteher des 22. Bezirks nicht so schwer, einen kleinen Garten zu erwerben. Ich weiß es nicht.
Ich als Obmann
Mein Garten lag in einem Steilhang, die Ruhe war sensationell und das kleine Schutzhaus ein wunderbarer Ort zum Verweilen. Die lärmende Großstadt lag irgendwo hinter den sieben Bergen, weit weg, etwa acht Kilometer bis zum Stephansdom. Ich setzte Salate, entfernte Nacktschnecken und schrieb im Dachgeschoss an meinem Buch. Das Haus hatte 35m² und mehr brauchte ich nicht zum Leben.
Irgendwann, man stelle sich vor, wurde ich sogar Obmann des Vereins.
Das Leben als Obmann eines Vereins ist prinzipiell nicht lustig. Es ähnelt dem Leben eines Personalvertreters für Lehrer – das war ich auch mal. Ich wurde mit Problemen konfrontiert, die sich jeder, zumindest meiner Phantasie entzogen. Mit anderen Worten: Kannste vergessen, wie die Berliner sagen.
Als mein Garten von einem Hangrutsch – ja, sowas gibt es auch im Wienerwald – verwüstet wurde, gab ich auf. Dabei hätte ich nach einer Umwidmung Tausende Euro gewinnen können! Das war mir klar. Die Umwidmung von Pachtgründen in Eigentumsgründe lag nämlich in der Luft. 1993 hatte der Wiener Gemeinderat beschlossen, dass die Pachtgründe auf Antrag des Gartenvereins in Eigentum umgewandelt werden können. Eine äußerst dumme Entscheidung, aber ganz im Sinn neoliberaler Politik, die auf Egoismus statt auf Gemeinwohl setzt. Plötzlich konnten die Pächter Eigentümer eines kleinen Gartens werden, der nun (damals noch in Schilling) Millionen wert war.
Jede Menge Kleingärten wurden umgewidmet, ihre Besitzerinnen und Besitzer von Pächterinnen und Pächtern zu Eigentümerinnen und Eigentümer. So nebenbei wurden damit auch illegale Schwarzbauten legalisiert, nicht wenig Kleingärtner hatten zu groß gebaut.
Es erging ihnen ein bisschen wie den oben erwähnten Bauern am Land, deren Grünland mit Hilfe des Bürgermeisters (er ist kurioserweise als letzte Bauinstanz dafür zuständig) in Baugrund umgewandelt wurde.
Klarerweise ergab das in Wien einen Wechsel in der Eigentümerstruktur in den Kleingärten. Statt Arbeitern, die sich über ein bisschen Grün freuen konnten, zogen gut betuchte Menschen ein, die keinen Salat anbauten, sondern einen Swimming-Pool in die Gegend knallten.
Ich empfand und empfinde diese Umwidmungen als Skandal. Nicht nur in Wien, sondern ebenso in den ländlichen Gebieten. Über Letztere schweigt die Presse der Herrschenden großzügig, außer der Skandal wird so groß wie in Grafenwörth.
Dort hatte der ÖVP-Bürgermeister Rapsfelder in eine Häuserwüste umgewandelt. Und dabei ein bisschen was verdient. Er hatte einige Jahre vorher Gründe um 60.000 Euro gekauft und nach der Umwidmung in Bauland um 1.000.000 Euro verkauft.
Im Endeffekt sind das Bereicherungen einzelner auf Kosten der Gemeinschaft, widerliche Geschäfte, die dem ÖVP-Gewäsch von den ‚Leistungsträgern‘ Hohn sprechen.
Es wird Zeit, an diesen Zuständen etwas zu ändern. Schafft Babler das? Ein gewisser Bernie Sanders unterstützt ihn im Geiste sicher.
Sein neues Buch: ‚Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein‘
Pardon, dass ich schon wieder etwas über Politik geschrieben habe. Immerhin habe ich die Grinsekatze außen vor gelassen und sämtliche Kriege auch. Da kennen sich so viele so gut aus, dass ich besser schweige.
Ein paar schöne Tage wünscht allen
Ihr/euer
Erich Ledersberger