Bisweilen brauchen auch hartgesottene Bürger einige Wochen, um preisgekrönte öffentliche Plätze zu verdauen.
Mitte Oktober meldete die TT (= Tiroler Tageszeitung), dass der neu gestaltete Landhausplatz, der neuerdings „Eduard-Wallnöfer-Platz“ heißt, eine Auszeichnung erhielt.Das Land Tirol vergibt nämlich Preise für „Neues Bauen“ und hat sich damit quasi selbst auf die Schulter geklopft, es war gleichzeitig Auftraggeber für die Neugestaltung.
Selbstlob stinkt meistens, aber es könnte sich ja tatsächlich um eine ungeheuer ästhetische Angelegenheit handeln, etwa um eine Fläche, die sich „wie ein leichtes Tuch über den Stadtkörper legt“, wie es ein Jurymitglied poetisch formulierte.
Ich habe eher das Gefühl, es handelt sich hier um ein Leichentuch, aber betrachten wir den Platz genauer und jenseits aller ästhetischen Argumente.
Am österreichischen Nationalfeiertag 2010 erstrahlte der „Platz in neuem Glanz“, meldete die TT. Und weiter: „Auf dem künftigen Eduard-Wallnöfer-Platz werden neue Ahornbäume gepflanzt, in deren Schatten Sitzbänke zum Verweilen einladen. Besser zur Geltung kommen wird in Zukunft der Vereinigungsbrunnen. Er wird an einer schräg abfallenden wasserführenden Fläche positioniert.“
Die Kosten beliefen sich angeblich auf 6,1 Millionen Euro. Und so sah das Ergebnis von unten aus:
Selbstverständlich gab es bereits kurz nach der Eröffnung mehrere Hinweistafel, auf der genaue Verhaltensanweisungen zur Lektüre einluden. Interessant dabei, dass es sich damals noch um „Privateigentum des Landes Tirol“ handelte. Der Leser ist verblüfft! Wem gehört das Land Tirol? Den Agrargemeinschaften? Bauunternehmen? Oder gar … man wagt es nicht zu denken! Höchst spannende Fragen, denen jetzt nicht nachgegangen wird, nur ein Hinweis auf die schwarz überklebten Wörter: Darunter ordnete das private Land Tirol an, dass Hunde von den Grünflächen abzuhalten seien.
Ein schlauer Mensch erkannte, dass es an diesem Ort keine frei zugänglichen Grünflächen gibt und ließ den Unsinn schwärzen.
Warum auch Grünflächen anlegen? In Tirol gibt es so viel Natur, dass ein bisschen Beton einen interessanten Kontrast ergeben kann. Und so sollte der Platz ursprünglich ein Ort perfekter Stille werden, von Fußgängern ehrfürchtig betreten – und zwar ausschließlich auf vorgeschriebenen Wegen, zumindest so lange, bis man höheren Ortes diese Erlaubnis widerrief.
Klarerweise kein Platz für Drogenabhängige, ihnen stehen ohnehin Bierzelte und Weihnachtsmärkte zur Verfügung. Hier, am „Eduard-Wallnöfer-Platz“, haben sie nichts zu suchen, schließlich war der Namensgeber berühmt für seine Abstinenz in allen Lebensbereichen. Kurzum: Alles wies darauf hin, dass der Beton kaum abgenützt wird, denn über all dem wachte ein – natürlich privater – Sicherheitsdienst. Hunde sollten die kaum vorhandenen Bäume ignorieren und Skater das Weite suchen.
Vor allem Letztere ignorierten allerdings diese Gebote und erfreuten sich an den glatten Flächen. Noch dazu hatten die Architekten kleine Hügel eingebaut, die dazu verlockten, Freudensprünge auf dem Brett mit vier Rollen zu machen. Eine Verkäuferin wiederum fand das gar nicht erfreulich, sie stöhnte unter der Lärmentwicklung.
„Im Sommer kann ich keine Türen mehr aufmachen“, meinte sie, „weil das ständige Dröhnen Kopfschmerzen verursacht.“
Sie habe dann beim Landhaus angerufen und ein Beamter habe ihr geraten, doch Zivilcourage zu beweisen und die Skater auf die Lärmbelästigung hinzuweisen. Das habe sie mit dem Hinweis beantwortet, dass ihr die Gruppe doch zu groß erschienen sei. Dann könne er auch nichts machen, habe der Beamte geantwortet.
Das ist sicher falsch, für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Ein Beamter gibt niemals solche Auskünfte, weil er sich als Diener der Bevölkerung sieht. Auch darüber soll hier nicht weiter geschrieben werden, aber über die í„nderungen des preisgekrönten Platzes.
Der ist mittlerweile nämlich wieder öffentlich geworden! Er gehört dem Land Tirol und ist nicht mehr im Privateigentum des Landes Tirol. Ein großer Fortschritt, ebenso wie die freundliche Begrüßung und der Hinweis, dass Frau und Mann nicht nur still dahinschweben, sondern hier auch Sport betreiben dürfen.
Wichtig: Hier gilt die Straßenverkehrsordnung! Die hat jeder Mensch im Kopf und daher kann es kaum noch zu Konflikten kommen. Rechts hat Vorrang, bei Zebrastreifen ist sofort anzuhalten, da wir uns innerhalb der Stadt befinden, darf die Höchstgeschwindigkeit von 50 kmh nicht überschritten werden und vieles mehr.
Einige Problemzonen lässt die Straßenverkehrsordnung außer Acht, daher gibt es noch ein paar zusätzliche Anweisungen. Vandalenakte sind zum Beispiel zu unterlassen, sie dürfen ausschließlich außerhalb der Anlage verübt werden.
Zelte dürfen leider nicht aufgestellt werden und keinesfalls darf man auf den Stufen des Landhauses „verweilen“, wie es vornehm heißt.
Für diejenigen, die plötzlich ein dringendes Bedürfnis überfällt, gibt es noch den diskreten Hinweis, dass „Richtung Norden ab der nordöstlichen Ecke“ des Platzes sich öffentliche Toiletten befinden. Indirekt wird also darauf hingewiesen, dass die wenigen Bäume nicht nur von Hunden, sondern auch von Männern tunlichst zu meiden sind.
Leider treten zwei Jahre nach Fertigstellung — der Geist ist willig, das Material ist schwach — in manchen Bereichen erste kleine Schäden auf.
Das macht aber nichts, denn sogleich ist ein bekanntes Unternehmen zur Stelle und repariert. Schließlich soll das Tuch, das sich über die Stadt spannt, selbst nach zwei Jahren intensiver Benutzung wie neu aussehen.
Und falls jemand meint, über Geschmack sollte man mehr streiten oder gar, dass eine Betonwüste doch nicht kurz nach Fertigstellung schon kaputt sein kann: Zeit ist relativ. Das hat sogar Einstein schon gesagt.
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