Es war ein warmer Wintertag, als ich die „Realwirtschaft“ traf. Wir hatten einen Termin im Café Central vereinbart, ich las gerade in der „Zeit“, dass ich ein „Geschenk gratis“ bekommen sollte, wenn ich die Zeitung abonnierte. Während ich über den Begriff „Gratisgeschenk“ nachdachte, erschien die Dame.„Ich bin die Realwirtschaft„, sagte sie mit heiserer Stimme.
Wahrscheinlich hatte sie die Monate zuvor stündlich einige Gläser zu viel hinunter gestürzt, denn sie sah erbärmlich aus. Die Kleidung zeugte von altem Adel, war aber derart zerrupft, dass mich Mitleid packte.
„Darf ich Sie auf eine Melange einladen?“ Sie nickte dankbar und setzte sich artig auf den wackligen Stuhl.
„Kommt auch die Irre?“ flüsterte sie mir zu.
„Sie meinen die Irrealwirtschaft? Leider nein. Sie hat abgesagt.“
Der Kellner brachte die Melange, die Realwirtschaft schlürfte das heiße Getränk und fragte mich, ob sie noch ein Gläschen Underberg haben könne, ihr sei in den letzten Wochen immer übel.
Ich nickte aufmunternd, denn was die Realwirtschaft braucht, ist Zuneigung und Optimismus. Die Dankbarkeit in den Augen der armen Frau stimmte mich fröhlich und ich bestellte ihr einen doppelten Underberg.
„Was kann ich noch für Sie tun?“ Mir war gerade eingefallen, dass ich nicht wusste, was sie von mir wollte.
„Sie müssen etwas gegen die Irre unternehmen! Wenn das so weitergeht, kann ich nicht einmal meine Putzfrau mehr bezahlen. Wollte sagen: meine Raumpflegerin.“
Meinen Einwand, dass ich weder Politiker noch Wirtschaftler bin, wischte sie energisch – im Todeskampf kommen ungeheure Energien frei – vom Tisch.
„Die haben doch keine Ahnung! Sie sind es, der mir helfen kann. Sie und ihre Freundinnen und Freunde.“
Ich verstand kein Wort.
„Sie, der Steuerzahler! Oder wollen Sie zusehen wie ich verhungere? Ich verspreche Ihnen, Sie werden es nicht bereuen. Eines Tages bin ich wieder schön und reich und begehrenswert.“ Sie lächelte mich verführerisch an.
Da konnte ich nicht anders und gab ihr, was ich hatte.
Einfach alles.
Da ging es ihr wieder gut, der Realwirtschaft. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie noch immer. Irgendwo in der Karibik.
Und wenn ich geduldig warte, kommt sie wieder zu mir und erfüllt ihr Versprechen.
Wenn ich dann noch lebe.