Blut

2013-07-12_blut1

Herrmann war ein stilles Kind. Fleischiges Gesicht, ein wenig plump damals schon, einsilbig, aber nicht unfreundlich.

„Brav, der Bub“, sagte Tante Ina zu seiner Mutter, und damit hatte sich’s bis zum nächsten Kirtag.

Herrmann trollte sich, und hätte ihn jemand beachtet, so hätte er ihn durch den Obst­garten wandern gesehen, die Hände hinter dem Rücken, die Finger weiß verkrampft. Es zog ihn meist zu den Käfigen mit den Kaninchen, zu den weißen Hühnern und zum Schweinekobel. Er mochte den animalischen Dunst, der von ihren Leibern hoch­stieg, wenn sie sich aneinander rieben oder den Boden nach Freßbarem durch­wühlten. Die Hühner stoben gackernd auseinander, wenn er einen Stein nach ihnen warf, und wenn sie, in die Enge getrieben, nach einander hackten und die ersten blutgetränkten Federn zu Boden taumelten, stieg eine merkwürdige Erregung in ihm hoch, die er sich, wäre das Nachdenken seine Sache auch gewesen, nicht hätte erklären können.

Aber dahin kam es nie, er handelte in solchen Momenten impulsiv, ging zum Hasenkäfig, schob eine Karotte durch das Gitter und wartete, bis die gierigen Schneidezähne seine Haut ritzten und Blut floss. Sein Blut, ein paar Tropfen, nichts weiter, mit denen er seine Initialen an die Wand schmierte.

So fing alles an.

© Edwin Radnitzky