Kinder, Küche, Karriere

Karriereplanung

Manchmal stolpere ich nicht über Bodenunebenheiten, sondern über Worte. Neulich  berichtete eine TV-Anstalt
zum Beispiel über das Problem mit der „Karriereplanung“ für Frauen mit Kindern.
Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass ausschließlich Frauen damit zu kämpfen haben, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen. Als ehemaliger (männlicher!) Alleinerzieher falle ich bei solchen Berichten regelmäßig unter den Tisch, wahrscheinlich, weil ich ein Minderheitenproblem bin – und manche Minderheiten dürfen offenbar vernachlässigt werden.

Aber das war nicht der Stolperstein, es war das Wort „Karriereplanung“. Es wurde wohlwollend artikuliert, so, als wäre das der innigste Wunsch aller Menschen: die Karriere. Ich dachte nach, ob in meiner Jugend — gut, die fand im vorigen Jahrhundert statt, aber trotzdem — dieser Begriff üblich war. Oder eher als übel beleumundet galt.

Eine Eingabe bei Google ergab jedenfalls 524.000 Trefferzum Thema „Karriereplanung“.

„Fünf Schritte zum perfekten Karriereplan“, „Voll durchstarten“, „Headhunter und Karrierecoaches helfen bei der Karriereplanung“, „Erfolgstipps vom Leiter des Percon Salesbereichs“, eine Fotostrecke mit der „Karriere nach Plan: Zum Chef in sieben Jahren“ — und da ist auch noch der „KARRIERE-SPIEGEL“. Offenbar hat sogar Deutschlands kritisches Wochenmagazin die Zeichen der Zeit erkannt: Überall lauern Karrieremöglichkeiten, man muss sie nur finden.

Oder sind „Karrieren“ und ihre Planung bloß ein Hinweis darauf, dass die westliche Gesellschaft auf dem Weg ist, Menschen ausschließlich durch ihre Arbeit zu definieren? Die Besten sind dann jene, die eine tolle Arbeitskarriere hinlegen.

Von einer Glückskarriere ist ja selten die Rede!

Du Karrierist!

Wie war das also damals? Hat Peter, der 1969 nach der Matura in einer Bank arbeitete, an eine Karriere gedacht? Oder Michael, der an der Universität Physik studierte? Oder Wolfgang, der die Pädagogische Akademie absolvierte und Lehrer wurde?

Hat Michael nicht einfach der Gegenstand Physik interessiert und sich deshalb habilitiert? Und ist er jetzt, ganz ohne Karriereplanung, Universitätsprofessor?

Mein altes und analoges, also gedrucktes Lexikon meint:
„Karriere [zu französisch carrií¨re Lauf-, Rennbahn] (letztlich zu lateinisch carrus, Karren), Abfolge der verschiedenen Stationen eines sozialen (beruflichen) Aufstiegs.“

Und weiter:
„Karrierismus, abwertend für: rücksichtsloses Streben nach Erfolg.“

Karriere hieß damals, dass Menschen nur ein Ziel vor Augen haben: den eigenen Vorteil, auch auf Kosten anderer. Das nannte man auch Egoismus. Heute ist es ein scheinbar normaler Vorgang, der von Volkshochschulen, Berufsförderungsinstituten oder auch der oben genannten TV-Sendung propagiert wird.