Kein Rückblick auf 2013! Zumindest nicht heute. Aber vielleicht ein Blick auf die Gegenwart? Schumacher oder Mandela?
Nelson Mandela
Nein, es ist keine frohe Botschaft, wenn ein Mensch stirbt. Leider passiert das jede Minute und ein großer Teil dieser Sterbenden kann nichts dafür — es sind Kinder, die verhungern, es sind Alte, die erschlagen werden, es sind Frauen, die vergewaltigt werden, es sind Menschen, die „zur falschen Zeit am falschen Ort geboren wurden“, wie das so nichtssagend und blöd genannt wird.
Michael Schumacher ist einer, der am „richtigen Ort und zur richtigen Zeit“ geboren wurde, dem kein Hungertod drohte und kein Krieg. Der Mann ergriff einen Beruf, der für ein Kind in Südafrika einigermaßen merkwürdig erscheint: Er fuhr mit einem Autor sinnlos im Kreis (so nannte es Niki Lauda) und verdiente damit Geld, von dem wahrscheinlich hunderttausende Menschen eines Entwicklungslandes hätten leben können.
Nelson Mandela war ein Mensch, der gut und bequem in einem Land hätte leben können, das den Rassenhass zur obersten Doktrin erhoben hatte: Er war zwar ein „Neger“, ein Schwarzer, aber seine Eltern ermöglichten ihm eine — für damalige Verhältnisse — sehr gute Ausbildung. Statt sich artig an die weißen Herrschaften anzupassen, engagierte er sich für die schwarze Mehrheit, die von einer weißen Minderheit brutal unterdrückt wurde.
Margaret Thatcher nannte ihn einen Terroristen, ebenso wie die USA unter Ronald Reagan. Nach beinahe 30 Jahren Haft wurde er entlassen und 1994 der erste schwarze Präsident Südafrikas. Gemeinsam mit seinem (weißen) Vorgänger de Klerk erhielt er 1993 den Friedensnobelpreis und schrieb in seiner Biographie:
„Während dieser langen, einsamen Jahre (der Haft) wurde aus meinem Hunger nach Freiheit für mein eigenes Volk der Hunger nach Freiheit aller Völker, ob weiß oder schwarz. […] Ein Mensch, der einem anderen die Freiheit raubt, ist ein Gefangener des Hasses. […] Der Unterdrückte und der Unterdrücker sind gleichermaßen ihrer Menschlichkeit beraubt. Als ich das Gefängnis verließ, war es meine Aufgabe, beide, den Unterdrücker und den Unterdrückten zu befreien.“
Als Nelson Mandela im Sterben lag, pilgerten unzählige Menschen vor das Spital, in dem er lag. Sie sangen und beteten, tanzten und lachten, trauerten und strahlten: Dieser Mann war das Glück Afrikas. Die Trauernden waren stolz auf ihren Mandela.
Michael Schumacher
Nein, der Tod ist keine frohe Botschaft. Schon gar nicht im Westen, der auf eine seltsame Weise dem „Materialismus“ ebenso heftig huldigt wie irgendeinem fernen „Gott“.
Umso merkwürdiger, wenn Menschen vor ein Spital pilgern, in dem ein schwer verletzter Mensch liegt, der abseits markierter Pisten verunglückte. Immerhin betrifft das allein in Österreich 65.000 Menschen, von denen im Jahr 2003 15 Menschen starben.
Warum aber sehe ich auf dem privaten Nachrichtensender n-tv einen permanenten Ticker ablaufen, in dem alle möglichen Menschen, die ich meistens nicht kenne, für ihn beten?
Und werde auf allen öffentlich-rechtlichen Sendern stündlich über den jeweiligen Zustand nur dieses einen Verunfallten informiert?
Ist sonst alles in bester Ordnung auf der Welt?
Ich fürchte: nein!
Aber was sagt das aus über die Gesellschaft, in der ich lebe? Dass ihr nichts mehr peinlich ist?
Hier ein Mann, der für sein „Fahren-im-Kreis“ Millionen Euro verdiente, dort ein Mann, der Jahrzehnte seines Lebens im Gefängnis verbrachte, um seinen Mitmenschen ein Leben in Würde — und damit meinte er ein friedliches und demokratisches Zusammenleben von Schwarzen und Weißen — zu ermöglichen.
Dort ein Humanist, der sich für seine Mitmenschen einsetzt.
Hier ein Rennfahrer, dessen Verdienst es ist, als Erster durchs Ziel zu gehen.
Wir sollten uns auch im Westen nach anderen Vorbildern — für die wir dann meinetwegen auch beten — umsehen.