Lesen Sie diesen Text nur im angeschnallten Zustand und vergewissern Sie sich vorher, ob Ihr Airbag funktioniert. Fahren Sie dabei nicht!
Zu Hause empfehle ich, alle unnatürlichen Lichtquellen auszuschalten und sich keinesfalls rasch zu bewegen, andernfalls kann es zu Nebenwirkungen wie Bauchzittern, erhöhten Blutdruck oder (in seltenen Fällen) Feuchtblattern kommen. Die Welt ist bekanntlich ein Hort der Unsicherheit und daher gibt es zu jedem Produkt eine Broschüre mit „Sicherheitshinweisen“.
Ich habe zum Beispiel ein elektronisches Gerät gekauft, das ich zum Schreiben und Lesen benutze. Wenn ich gewusst hätte, in welches Minenfeld ich mich damit begebe, wäre ich bei Zettel, Bleistift und Buch geblieben. Diese Geräte bekommt man derzeit ohne Hinweise auf mögliche Gefahren, aber vielleicht ändert sich das noch.
Jedenfalls habe ich, wie es sich für einen verantwortungsbewussten Käufer gehört, als erstes die Kurzanleitung gelesen, schließlich weiß ich, dass wir in der gefährlichsten aller Welten leben, in denen nicht nur Mörder und Räuber hinter jeder Ecke lauern, sondern auch ganz normale Alltagsgegenstände voller Heimtücke stecken.
Alles sehr gefährlich
Und tatsächlich erfuhr ich wichtige Dinge, etwa:
„Beißen Sie nicht auf Gerät und Akku und nehmen Sie es/ihn nicht in den Mund.“
Gendermäßig bemüht, wenn auch nicht ganz in Ordnung, typischerweise fehlt die weibliche Form, „nehmen Sie sie nicht in den Mund“.
Ja aber, werden Sie fragen, worum handelt es sich überhaupt?
Um ein so genanntes „Tablet“, also — für Laien — einen Computer, der größer als ein Handy und kleiner als ein Notebook ist.
Ich gebe zu, ich hatte nicht einmal bei meinem Handy jemals das Bedürfnis, es in den Mund zu nehmen, und mein Tablet ist immerhin in der Diagonale 25 cm groß. Mein Mund gibt maximal 9,2 cm her, aber wer weiß, vielleicht gibt es irgendwo auf der Welt einen Menschen, der versucht, sein Tablet in den Mund zu stecken. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, hieß es früher, und was ist eine Porzellankiste gegen ein Tablet? Sehen Sie.
Ganz wichtig im täglichen Umgang mit dem Tablet ist der ergänzende Hinweis:
„Führen Sie das Gerät und mitgelieferte Zubehörteile nicht in Augen, Ohren oder den Mund ein.“
Falls Ihnen die eine oder andere Öffnung fehlt: Ich vermute, es handelt sich um die diskrete Art, mit der bestimmte Länder bestimmte Öffnungen tabuisieren.
Jedenfalls sollten Sie Gerät und Zubehörteile auch dort nicht einführen, außer Sie empfinden dabei ein erotisches Vergnügen, das psychologisch dann im Bereich des Masochismus, nicht einer normalen Anwendung digitaler Geräte, anzusiedeln wäre.
Eher banal der Sicherheitshinweis, dass „durch ein Herunterfallen das Gerät beschädigt werden kann“. Aber möglicherweise hat in den USA — wo bekanntlich kein Mikrowellenherd ohne den Hinweis auskommt, dass keine Katzen darin getrocknet werden sollen — schon ein Käufer einen Konzern geklagt, weil sein Behälter mit Eiern keinen Hinweis darauf enthielt.
Jedenfalls müssen sich schon etliche Menschen bei der Benutzung ihres Tablets verletzt haben, wenn sie Bewegungen wiederholt haben:
„Bei der wiederholten Durchführung von Aktionen wie etwa dem Drücken von Tasten, dem Zeichnen von Buchstaben auf einem Touchscreen mit den Fingern oder dem Spielen von Spielen, treten möglicherweise Beschwerden an den Händen, im Nacken, in den Schultern oder an anderen Körperteilen auf. … Wenn Sie sich weiterhin unwohl fühlen, nutzen Sie das Gerät nicht weiter und suchen Sie einen Arzt auf.“
Das klingt irgendwie nach einer Aufforderung zur Arbeitsverweigerung! Schließlich drücken Millionen von Menschen während ihrer Arbeitszeit sinnlos auf irgendwelche Tasten. Aber da mein Gerät aus Korea kommt, glaube ich das nicht, schließlich denken dort bereits die Schüler ausschließlich an ihre Arbeit, wenn man unseren Zeitungen trauen darf.
Oder denken die Produzenten immer an unsere PISA-Ergebnisse und halten uns daher für völlig bescheuert?
Gut, Österreich ist beim Problemlösen nur im Mittelfeld und 20 Prozent der deutschen Jugendlichen scheitern an Alltagsproblemen.
Aber das kann doch nicht so weit gehen, dass als Sicherheitshinweis steht,
„Geben Sie Acht, wenn Sie das Gerät beim Gehen oder Laufen verwenden. Stellen Sie sicher, dass sich das Headset-Kabel nicht an Ihren Armen oder Objekten in der Nähe verfängt“.
Wir haben auch unseren Stolz und irgendwie hat der Doofste von uns schon kapiert, dass die meisten Gegenstände „durch Biegen oder Verformen“ nicht mehr so toll funktionieren.
Irgendwie ist mir beim Lesen der Sicherheitshinweise jedenfalls klar geworden, dass uns manche Konzerne für noch dümmer halten als wir ohnehin schon sind. Aber das kann auch ein Vorteil sein. Immerhin gehört jenen, die arm im Geiste sind, bekanntlich das Himmelreich.
In diesem Sinn: Genießen wir den Frühling!
Und noch ein ganz wichtiger Sicherheitshinweis für den Alltag: Vorsicht beim Gehen — immer einen Fuß vor den anderen setzen, niemals umgekehrt!
PS: Manche Wissenschaften wissen ja nicht mehr, was sie untersuchen sollen und so haben Kognitionspsychologen (die gibt’s wirklich!) der TU Berlin herausgefunden, dass technische Geräte die Stimmung vermiesen. Womöglich haben die Damen und Herren für dieses Ergebnis monatelang geforscht! Ich hätte ihnen das in einem fünfminütigem Monolog mitteilen können. Und die Forscher und -innen hätten nicht tagelang sinnlos auf Tasten drücken müssen und damit ihre Gesundheit gefährdet. (Siehe Sicherheitshinweise weiter oben.)