Aus der Bildungsprovinz – wieder aktuell

2014-04-23_kakanien_bildung_sparen

Peter Michael Lingens hat in einem Profil-Kommentar (im April 2014) über den „Länder-Unsinn“ im Zwergerlland Österreich geschrieben. Er beklagte

 

dabei die Existenz von neun Bundes-Ländern (plus Landeshauptmännern und Bundesräten), von denen jedes zum Beispiel ein eigenes Bau- oder Jugendgesetz und vieles mehr hat, das kostet und überflüssig ist.

Das Hypo-Adria-Debakel etwa war ohne diesen „Länder-Unsinn“ nicht möglich, zum Ausgleich dürfen nun alle Steuerzahler — und zwar bundesweit — dafür zahlen. Bayern müsste, wenn es Österreich zum Vorbild nähme, auf ca. 14 noch kleinere Einheiten aufgeteilt werden. Solchen Wahnsinn leistet sich nicht einmal die CSU.

Landesschulräte und anderer Firlefanz

Dabei sind neun Bundesländer noch eine Kleinigkeit gegenüber den 14 Pädagogischen Hochschulen in Östereich! Um beim erwähnten Beispiel Bayern zu bleiben: Dort gab es bis 1972 sieben Pädagogische Hochschulen. Danach entschied man sich sogar im konservativen Bayern zu einer Ausbildung künftiger Lehrerinnen und Lehrer an einer Universität.

Österreich hingegen beschritt den Weg der „Vielfalt“, wie Wohlmeinende das ausdrücken. Andere nennen es den Weg der „Einfalt“. Woher soll ein kleines Land schließlich die vielen Expertinnen und Experten nehmen? Egal, das war nicht die Frage!

14 (vierzehn) Pädagogische Hochschulen pflastern also den bequemen Weg zur Lehrerin (und bisweilen zum Lehrer). Früher wurden sie „Pädagogische Akademie“ genannt und in Windeseile (vier Semester) wurden einst Maturanten (meistens Maturantinnen) vom Schüler zum Lehrer gemacht.

Mittlerweile dauert es zwei Semester länger und zum Ausgleich gibt es einen Titel, was in Österreich von größerer Bedeutung als anderswo ist: den Bachelor, auch Bätschelor genannt.

„Es gibt kan Inschpektor“

So kritisch äußerte sich der berühmte österreichische TV-Ermittler Kottan immer wieder, wenn ihn Menschen als „Herr Inspektor“ anredeten. Das ist einige Jahrzehnte her, Lehrerinnen und Lehrer allerdings kennen den Begriff noch immer.

Damit sie schön artig sind, gibt es nämlich in jedem Bundesland Landesschulinspektoren — und selbstverständlich auch -innen, die sogar eine eigene Website haben und ansonsten weitgehend unsichtbar sind.

Landesschulinspektoren verdienen laut einer öffentlichen Website in der so genannten Verwendungsgruppe S1 zwischen € 5.800,00 und € 7.050,00, 14 Mal im Jahr. Keine Kleinigkeit, kein Wunder also, dass diese Position sehr beliebt ist.

Was aber machen die Damen und Herren eigentlich? Während meiner Arbeit als Lehrer in drei Bundesländern kann ich zusammenfassen: Ich hatte mit meinen Landesschulinspektoren und -innen kaum Kontakt.

Bei meinem Amtsantritt in Niederösterreich teilte mir der „Herr Inspektor“ mit, dass ich bei meinen Schülerinnen vor allem eines machen müsste: Distanz halten, Distanz und nochmals Distanz.

In den darauf folgenden fünf Jahren habe ich den Mann nur noch einmal gesehen: Weil ich pragmatisiert werden sollte, besuchte er eine meiner Unterrichtsstunden für immerhin etwa 30 Minuten.

In Wien und Tirol erlebte ich Ähnliches, wobei mir eine „Frau Inspektor“ bei einer Maturafeier immerhin zuraunte, dass sie nicht gedacht hätte, dass ihr Amt so aufreibend und gleichzeitig sinnlos sein werde. Aber die paar Jahre bis zur Pension würde sie es schon aushalten.

Sparpotential vorhanden

Nun gibt es aber nicht bloß neun Landesschulinspektoren, sondern in jedem Bundesland mehrere. Dazu kommen Fachinspektoren für Religion, Mode, Sport oder Sprachen. Die Liste ist wahrscheinlich unvollständig, denn selbst Google findet keine Quelle, die die genaue Anzahl angibt.

Schon die einfache (Achtung! Politisch nicht ganz korrekt!) Milchbubenrechnung offenbart eine große Einsparungsmöglichkeit:

Monatsgehalt Inspektor, bescheiden gerechnet: € 5.000,00 x 14 = € 70.000,00
Gehaltsnebenkosten, in der Privatwirtschaft mit 100% gerechnet:  € 70.000,00

Anzahl der Inspektoren in Österreich, geschätzt: 40

Das ergibt schon mal 2,8 Millionen Euro — und dabei werden Zusatzkosten für Assistenten, Bürogebäude etc. vernachlässigt.

Nun gibt es in jedem Bundesland auch den Landesschulrat per se, eine Institution, die Gebäude besetzt und ebenfalls weitgehend unsichtbar agierende pädagogische und juristische Abteilungen unterhält.

Dort sind auch viele Menschen damit beschäftigt, Formulare auszufüllen oder neue zu erfinden und Reiserechnungen zu bestätigen, die ohne ein Seminar „Einführung in das Ausfüllen einer Reiserechnung“ nicht zu bewältigen sind.

Die Menschen dort erledigen also viele seltsame Arbeiten, die ohne eine überbordende Bürokratie gar nicht anfallen würden.

Dafür können sie nichts, wohl aber jene Damen und Herren, die nach wie vor Österreichs Politik bestimmen und zu feige sind, sich mit Provinzfürsten anzulegen.

Deren Idee, alle Lehrer sollten in Zukunft „Ländersache“ sein, ist kaum noch kurios zu nennen, weil  dieses Wort den inhaltlichen Irrsinn beschönigt.

Soll demnächst die Gemeinde „Gramatneusiedl“ ein eigenes Bildungsprogramm samt Bezahlung der Lehrerinnen entwickeln und die Gemeinde „Sankt Sigmund im Sellrain“ ein anderes? Dann hätten wir immerhin endlich ein Bildungssystem, das in seiner Provinzialität von keinem Staat der Welt übertroffen wird.

Vielleicht erkennen die Politiker unserer „Groß“parteien bald, dass damit niemandem geholfen ist. Meine Hoffnung ist gering – aber sie besteht.

Bin gespannt, was daraus wird.