Sieben kurze Geschichten von Menschen, deren Leben sich verändert. Manchmal mit großen, manchmal mit kleinen Auswirkungen.
Schöne Tage noch (Arbeitstitel) – Teil 3
Gesättigt kehrten sie in die Küche zurück.
Der Fisch war dank Salzkruste noch einigermaßen saftig, allerdings wussten sie nicht mehr, worüber sie nun reden sollten. Sie lächelten einander zu, aber das half auf Dauer auch nicht. Egon/Helmut legte, um die ratlose Stille zu überbrücken, eine LP auf den Schallplattenspieler. Margit erstarrte, denn sie hasste Musik, wagte aber nicht, etwas zu sagen.
Panna Cotta rutschte ihre Kehlen hinunter, italienischer Wein
— Lacrima Christi — machte seltsam traurig. Das Wichtigste war zwischen Suppe und Fisch passiert, nun mäanderten beide hilflos durch die Gegend. Wie Federbälle warfen sie einander Themen zu, aber der andere konnte selten zurückgeben.
Margit fasste nach dem dritten Glas Wein all ihren Mut zusammen und stand entschlossen auf.
„Ich muss jetzt gehen.“
Egon/Helmut widersprach ein wenig, denn er war gut erzogen. Sie lächelte dankbar. Erleichtert verabschiedeten sie sich voneinander. Er beobachtete vom Fenster, dass sie telefonierte und bald darauf kam ein Auto, in das sie einstieg. Seltsam, dachte er. Als wäre das Abholen bereits ausgemacht gewesen.
So war es auch. Margit war zum ersten Mal zu dieser Art von Treffen gegangen und ihre Freundin hatte in einem Café gewartet, um ihr im Notfall zu helfen. Der war nicht eingetreten und so kehrte sie zufrieden nach Hause zurück.
So vorsichtig war Magdalena nicht. Sie hatte vielfältige Erfahrungen im Umgang mit fremden Männern gesammelt und war sicher, dass sie den Charakter eines Mannes an seinem Schreibstil erkennen konnte. Bisher hatte sie damit Recht behalten und auch Egon bzw. Helmut bzw. neuerdings Christian entsprach ihren Erwartungen. Die Namensschilder von Egon waren dieses Mal auf Christian ausgetauscht worden, mit diesem Namen hatte Egon sich auf einer anderen Plattform eingecheckt.
Egon/Christian war an diesem Wochenende vorsichtiger vorgegangen und hatte eine kalte Vorspeise zubereitet, in Weißwein und etwas Knoblauch gedünstete Zwiebeln und Garnelen. Die Hauptspeise — als Kontrapunkt Kalbsrahmgulasch, zart gewürzt — hatte er in den Kühlschrank gegeben, schließlich wird Gulasch durch Aufwärmen immer besser. Das Dessert würde er, falls es dazu kommen sollte, frisch zubereiten.
Magdalena, die sich nach eigenen Angaben auf innere Werte konzentrierte, überraschte Egon/Christian: Sie sah jünger und besser aus als auf dem einzigen Bild, das sie im Internet veröffentlicht hatte. Ihre witzigen Mails hatten ihn dazu angeregt, ein Treffen zu vereinbaren, nun wurde er auch ästhetisch angenehm überrascht.
Er bedankte sich für das Geschenk, das sie mitgebracht hatte: Es waren drei Steine, die alle negative Energie im Raum aufsaugen und die er an Vollmondnächten einfach ins Freie legen sollte. Dann würde ein Energieaustausch erfolgen, das Negative entweichen und das Positive der Atmosphäre in die Steine schlüpfen. Die entstehende Energie würde ihn dann zu den wunderbarsten Leistungen anregen. Dabei lächelte sie vielsagend.
Er wurde vor Aufregung so nervös, dass ihm sein Vorspeisenteller in der Küche runterfiel. Immerhin konnte er nun Magdalena in aller Ruhe beim Essen zusehen.