Der Wirtschaftsflüchtling und eine Wahlprognose

Nichts wie weg!Verhungert bloß. Dem „wahren“ Flüchtling wird der Kopf abgeschnitten. Tot sind am Ende beide.

Chronologie eines Begriffs.

 

 

 

Es war in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, da schrieb ich Texte für das Schweizer Fernsehen. Die Sendung hieß „Die Nachtigall“ und lief, wie es sich für eine kritische Satiresendung gehört, um Mitternacht.

Damals wurde gerade der Begriff des Wirtschaftsflüchtlings (wieder) modern. Er diente dazu, Menschen zu teilen: In jene, die sogar in der Schweiz aufgenommen wurden, selbst wenn sie keine Millionäre waren und jene, die in fernen Ländern bloß verhungerten. Letztere hatten kein Recht auf die wohlhabende Schweiz.

Die Unterscheidung zwischen Menschen, die vor Dürre und Hunger flüchten und jenen, die vor Bomben flüchten, war ein beliebtes Mittel, möglichst viele fernzuhalten. Allerdings war der Begriff noch nicht politisch anerkannt. Kritische Menschen gaben zu bedenken, dass beide Tode unangenehm sind.

Heute geht das Wort allen wie Butter von der Zunge. Vergessen die Zeit, da zum Beispiel die Tiroler in ihrer Heimat Geld bekamen, um als Wirtschaftsflüchtling in Brasilien zu landen.

Von 1865 bis 1939 flüchteten laut Wikipedia 30.000 Tirolerinnen und Tiroler nach Brasilien. Sie wurden dabei vom österreichischen Staat sogar finanziell unterstützt.

Um es in heutige Sprache (= wöading) zu übersetzen: Eine Flut von Tirolern ergoss sich über das Land. Ein Tiroler Tsunami. Eine älplerische Völkerwanderung.

Die Integration ist anscheinend nicht wirklich gelungen. Noch heute gibt es dort eine Schuhplattlergruppe, eine Tiroler Musikkapelle, viele Holzschnitzer und überhaupt sieht es aus wie in den Alpen.

Neue Sündenböcke gefunden!

Der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ dient dazu, von den Ursachen abzulenken. Statt darauf hinzuweisen, dass Staaten wie Österreich und Deutschland seit Jahrzehnten kaum Entwicklungshilfe leisten, aber gerne die Rohstoffe der so genannten armen Staaten plündern, etabliert sich der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“. Der ist gar kein Flüchtling, sondern wandert aus quasi luxuriösen Gründen von seiner Heimat aus.

Statt darauf hinzuweisen, dass Reichtum in unserer Gesellschaft ungleich verteilt ist, beißt man auf die noch mehr Benachteiligten hin.

Ein paar Zahlen gefällig?

Martin Winterkorn, bis vor einigen Tagen Chef des VW-Konzerns, verdiente 2013 15 Millionen Euro. Monatsgehalt also knapp über 1 Million Euro.

Noch besser geht es den Familien Porsche und Piech, Großaktionäre des gleichen Konzerns. Laut dem Wirtschaftsmagazin trend hat sich ihr Vermögen von 44,8 Milliarden Euro auf 65 Milliarden Euro erhöht.

20 Prozent Steigerung in einem Jahr! Pardon! Da hat sich ein schlimmer Rechenfehler eingeschlichen. Es sind selbstverständlich an die 50 Prozent Steigerung. Von solchen Lohnerhöhungen können Arbeiter und Angestellte nur träumen.

Kleiner Mann, was tun?

Jene Partei, die am lautesten gegen „Wirtschaftsflüchtlinge“ hetzt und angeblich den „kleinen Mann“ vertritt, hat übrigens zum Thema „gerechte Verteilung unseres Wohlstandes“ eine kerzengerade Haltung: Keine Steuer auf Vermögen!

Diese Partei greift lieber — siehe den von der Kärnten FPÖ verursachten Hypo-Schaden in Milliardenhöhe — auf das Steuergeld des kleinen Mannes zu.

Dann wird wieder atemlos auf die „Wirtschaftsflüchtlinge“ geschimpft und schon hat der kleine Mann etwas, worüber er sich am Stammtisch aufregen kann.

Das beruhigt ihn mächtig — und die Anti-Partei FPÖ kommt wieder an die Futternäpfe.

Was soll der kleine Mann also tun?

Nicht FPÖ wählen.

Aber guter Rat ist nicht nur teuer, sondern auch schwer zu anzunehmen. Dieser hier war noch dazu gratis. Es wird also nix werden damit. Die FPÖ wird in Oberösterreich gewinnen.

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