Bei Mutti schmeckt’s! Oder?

Wiener SchnitzelWeil morgen der österreichische Nationalfeiertag ist — ein Ereignis, das kaum jemand erklären kann, aber immerhin ist arbeitsfrei — heute ein politisch völlig neutraler Text:

Essen wie bei Mama. In Werbetexten manchmal auch „Mamma“ genannt.

 

 

Essen wie bei Mama!

Beim Suchmonopolisten Google habe ich unter „schmeckt wie bei Mama“ 719.000 Ergebnisse gefunden, unter „schmeckt wie bei Mutti“ nur 349.000. Zumindest am 24. Oktober 2015 war das so.

Mutti klingt so deutsch wie lecker, aber eines haben Mutti und Mama gemeinsam: Sie werden für begnadete Köchinnen gehalten.

Ein ziemlich großer Konzern schreibt Mama sogar italienisch, also MaMMa, aber das hilft auch nichts für die Frage:
Hat es bei unserer weiblichen Fürsorgeperson (ich hoffe, das ist gendermäßig okay und politisch korrekt) gut geschmeckt?

Ich kann mit einem überzeugenden „Nein“ antworten, was keinesfalls gegen meine Mutter spricht.

Sie war ein guter Mensch, aber gekocht hat sie sowas von schlecht, dass ich hier nur einige Beispiele geben mag.

Verkochter Kohl

Wenn ich von der Schule nach Hause kam, fiel mir mitunter ein Duft entgegen, der mich nahezu ohnmächtig werden ließ. Dann wusste ich: Es gibt Kohl.

Den bereitete meine Mutter — la mamma — auf jene Wiener Weise zu, die Kriegszeiten zur Gegenwart gerinnen ließen.

Wie sie es schaffte, das wunderbare Gemüse, das nahezu sauber — heute würde man sagen: biologisch und dynamisch — auf der Simmeringer Haide wuchs, in einen Mehlhaufen zu verwandeln, der an einen Komposthaufen erinnerte, ist mir heute noch ein Rätsel.

Meine Mutter schaffte das im Handumdrehen.

Besonders schrecklich schmeckten ihre Linsen. Schon die Farbe dieses an sich bekömmlichen Getreides erinnerte mich an etwas, das ich hier nicht benennen möchte.

Dazu gab es einen Knödel, der getrost als Kanonenkugel gegen etwaige Feinde eingesetzt hätte werden können. í„hnliches Material fand ich später nur mehr in einer Schule vor, in deren Kantine ich jahrelang keinen Fuß setzte.

Als Kind weigerte ich mich jedenfalls beharrlich, solche Gegenstände, die sich als Knödel ausgaben, zu mir zu nehmen und antwortete auf die Frage, was ich gerne essen möchte, stets mit Wiener Schnitzel.

Wie es in der Nachkriegszeit üblich war, fürchtete meine Mutter nichts so sehr als die schlechte Nachrede von Nachbarn. Mein Körper glich ihrer Meinung nach ohnehin einem mit wenig Haut überzogenem Gerippe, das im Naturhistorischen Museum durchaus für Interesse gesorgt hätte.

„Was sollen die Anderen denken? Du siehst aus, als würdes du nichts zu essen bekommen!“

Die Sorge um die schlechte Nachrede führte dazu, dass Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat häufig am Speiseplan standen.

Champignoncremesuppe und so

Während der Woche schmeckte leider alles „wie bei Mama bzw. Mutti“. Und so schwebte ich auf Wolke Sieben, als verschiedene Suppen eines multinationalen Konzerns in der Küche meiner Mutter Einzug hielten.

Linsen blieben nun außen vor, denn im Packerl gab es nicht nur Champignoncremesuppe, sondern auch Grießnockerlsuppe und viele andere wundersame Dinge. Sie schmeckten dank industrieller Zusätze wunderbar und nicht so, wie Mama kochte.

Wiener Schnitzel wurden übrigens weiterhin selbst gemacht — von meinem Vater. (Woraus zu lernen ist, dass es schon vor einem halben Jahrhundert emanzipierte Männer gab, aber das nur so nebenbei.)

Und an Wochenenden gab es Suppen ganz ohne Beteiligung von fremden Mächten. Weil mein Vater gerne kochte.

Das spricht keineswegs gegen meine Mutter, die sich liebevoll um mich kümmerte. Sogar ein wenig zu liebevoll, aber das führte jetzt zu weit.

Jedenfalls finde ich den Werbespruch:
„Wie bei Mama/Muttern/Mutti/Mamma“ oder wie immer der heißen mag, für ziemlich daneben. Denn geschmeckt hat es bei ihr selten.

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