Sterben tun immer die andern

Allerheiligen 2015Seit auch in Österreich Halloween gefeiert wird, ist Allerheiligen etwas in den Hintergrund getreten.

Allerseelen ist sowieso kein Feiertag, nur die (österreichischen) Schulen machen sich noch einen netten (schulfreien) Tag. Schade.

 

Immer lustig!

Fesch und munter, hollodaridio.

So oder so ähnlich klingt es in einem Wiener Lied. Fesch sind sie zwar nicht, die seltsamen Gestalten, die am 31. Oktober von Haus zu Haus wandern, aber lustig.

So wie die Süßwarenindustrie, die sich darüber freut, wenn Kinder, als Gespenster verkleidet von ihren Nachbarn, die sie nicht kennen, Schokolade und krebsfördernde Gummibärchen einfordern.

Warum ich ihnen die geben soll, weiß ich nicht. Deshalb verschließe ich an diesem Tag Tür und Tor und öffne sie keinen Menschen, auch nicht kleinen.

Ich finde es nämlich bedenklich, wenn sie an diesem Tag das tun, was ihnen während des restlichen Jahres verboten ist: Süßes von einem fremden Menschen zu nehmen. Und ich muss ja nicht jeden Irrsinn mitmachen, mir reichen schon die heiligen drei Könige, deren Gesang ich mir jedes Jahr anhören muss.

 

Verwandtentreffen am Grab

Noch bleibt der 1. November ein Familientag, an den nicht einmal Weihnachten herankommen kann.

Während am 24. Dezember die Kleinfamilie sich in ihrer ganzen Kleinheit vor dem obligaten Christbaum versammelt, treffen sich zu Allerheiligen alle überlebenden Verwandten. Als Kind fürchtete ich diesen Tag mehr noch als den ersten Schultag nach den Ferien.

Mit Kerzen und allerlei Grünzeug fuhren wir, Mutter-Vater-Kind, Richtung Zentralfriedhof. Das ist jener Ort, der nach einer Anekdote halb so groß wie Zürich, aber doppelt so lustig ist.

Dort trafen wir an den unterschiedlichen Familiengräbern jene Verwandtschaft, die ich während des restlichen Jahres nie gesehen habe. Dementsprechend nervös reagierte ich auf die vielen Namen der diversen Mitzi-Tanten und Pepi-Onkeln.

Sie streichelten mir viele Jahre lang betulich über den Kopf und wunderten sich jedes Jahr darüber, dass ich gewachsen war. Ein Hinweis, den ich schon damals, lange vor dem viel gerühmten „Informationszeitalter“, als Null-Information empfand.

Es hätte mich eher verstört, wenn ich nicht gewachsen wäre.

Allmählich hörten die Onkel und Tanten mit diesen Kommentaren auf. Sie schienen sich damit abgefunden zu haben, dass ich nicht mehr weiter wachsen würde.

Zum Ausgleich wurden sie nicht nur immer kleiner, sondern auch immer weniger. Sterben tun nämlich – siehe oben – immer nur die anderen.

 

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