Die große Erregung

Die schöne WeltEigentlich wollte ich heute den 2. Teil zum Thema „Die Geschmeidigkeit des Kapitalismus“ veröffentlichen. Dann der Anschlag in Paris.

Aber irgendwie hat das alles ja miteinander zu tun. Wenn der Terror nahe ist, wird die Erregung groß. Und das Denken schwierig.

Ihr bekommt meinen Hass nicht

Der beeindruckendste Text, den ich in den letzten Tagen las, stammt von einem Journalisten, dessen Frau beim Attentat ermordet wurde.

Ich weiß nicht, ob ich zu solchen Sätzen fähig wäre, hätte jemand meine Frau ermordet. Ich weiß aber, dass nur diese Haltung das ewige „Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Prinzip“ durchbrechen kann.

Seit Jahrtausenden glauben Teile der Menschheit, dass sie Krieg durch Kriege beenden können. Seit Jahrtausenden scheitern Menschen daran.

Wenn der französische Präsident dem „Terror den Krieg erklärt“, dann ist das menschlich verständlich.

Wobei ich mich doch ein wenig wundere, weshalb jener betroffene Journalist, dessen junge Frau nun tot ist und der seinem 17monatigen Kind irgendwann erklären muss, dass seine Mutter von einem unbekannten Mann erschossen wurde, weitaus humaner reagiert als ein Politiker.

Noch dazu, wo dieser Politiker doch wissen muss, dass bereits einige seiner Kollegen vor ihm dem Terror „den Krieg erklärten“. Was zu nichts führte außer zu neuem Terror.

 

Der ferne Tod

Jeden Tag verhungern 10.000 Kinder, teilte Ingeborg Schäuble, Leiterin der Deutschen Welthungerhilfe, 2008 dem STERN mit.

Ja, Ingeborg Schäuble ist die Ehefrau des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble, der sich nicht gerade durch großes Mitleid mit den Armen auszeichnet, zumindest nicht mit den Armen von Griechenland.
Und die Situation hat sich seit 2008 nicht gravierend geändert.

Ich weiß nicht, worüber Frau und Herr Schäuble abends, wenn sie sich denn mal sehen, reden. Ich fürchte, es würde kein angenehmes Gespräch sein. Außer sie sprechen nicht über die Probleme der Welt.

 

Jeder Tod ist einzigartig

Nein, hier wird keine Gegenrechnung angestellt. Mehr als 100 unschuldig ermordete Menschen in Frankreich sind eine Katastrophe.

Mehr als 10.000 Kinder, die täglich verhungern, allerdings auch.

Und da war meines Wissens kein Präsident, der dem Hunger-Terror den Krieg erklärte!
Da war kein Staat, der vor die UNO getreten ist und gesagt hat:

Es müsse einen Kampf gegen jene Terrormilizen geben, die in einer reichen Welt Kinder verhungern lassen. Sie ermorden, wie es Jean Ziegler ausdrückt.

Aber nein. Manche Politiker glauben, der Hunger in der Welt hätte nichts zu tun mit dem Terror in der Welt. Das ist ein Irrtum.

 

Das Erbe der Kolonien

Es scheint lange her zu sein, dass europäische Herrscher in ferne Länder marschierten — eigentlich einmarschieren ließen, die Herrscher blieben lieber bei Glanz und Glorie zu Hause —, Völker versklavten, Gold, Kunstwerke, Länder, Frauen und Kinder raubten und die Länder aufteilten.

Die Monarchien brauchten Rohstoffe. Später auch die Demokratien.

Erst Gold und Silber, später Materialien für Handys oder LED-Leuchten. Seltene Erden nennt man diese Stoffe – Dokumentationen darüber gibt es viele, etwa eine von Tilman Achtnich:
Sklavenarbeit für unseren Fortschritt.

„Wir haben diesen Film „šSklavenarbeit für unseren Fortschritt‘ gemacht, weil ich der Meinung bin, dass wir in den Industrieländern unseren Wohlstand auf dem Rücken anderer in der Welt erarbeiten. Und um es drastisch zu sagen: Seit den Zeiten der spanischen Conquistadoren hat sich an dieser Ausbeutungsmaschinerie nicht viel geändert. Ich bin der Überzeugung, dass wir Ungerechtigkeiten und Missstände zur Kenntnis nehmen sollten. Vor jeder Handlung steht erst mal ein Bewusstseinsprozess.“

Auf YouTube ist die Dokumentation zu sehen: Link hier.

Wer unter solchen Bedingungen lebt, hat nicht viel zu verlieren. Eines Tages gar nichts mehr.

Wenn jemand kommt und diesen Menschen die Lösung ihrer Probleme, ja sogar die Erlösung verspricht, dann werden zumindest einige ihm folgen.

 

Krieg ist nicht die Lösung

Ich habe keine Antwort, wie das größte Problem gelöst werden kann: den ungeheuren Reichtum dieser Welt gerecht zu verteilen.

Ich weiß bloß, dass Gerechtigkeit die Voraussetzung für ein friedliches Miteinander ist.

Und dass Krieg kein Problem löst. Sondern ein neues schafft.

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